BRILON-TOTALLOKAL: FRIEDEL SCHUMACHER – VORSTELLUNG DES WALDFEENPFADES…
brilon-totallokal: Es war die Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007, als „Kyrill“ etwa 1000 ha des Briloner Waldes zerstörte und innere Bilder in uns auslöschte. Selbst alte Briloner fanden sich in ihrer gewohnten Waldumgebung nicht mehr zurecht. Wer das Prasseln, Ächzen und Bersten der Fichten gehört hat wie ich, wird diese Geräusche nie vergessen. Nicht umsonst nutzten früher die Bergleute im Stollen Fichtenstämme als Stützen. Die Devise lautete als Frühwarnsystem: „Die Fichte spricht, bevor sie bricht!“ Dieses Sprichwort ist nur ein winziger Aspekt in unserem Regionaleprojekt „Freilandnutzung nach Kyrill“ und insbesondere dem Waldfeenpfad als Verständnisplattform dieses historischen Ereignisses. Die Besucher, Jung und Alt, sollen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die Hintergründe der riesigen Schäden erleben und den Wald unter Zukunftsaspekten erfahren.
Damit haben wir schon eine Antwort auf die Frage: „Warum ein Waldfeenpfad?“, nämlich Kyrill und seine Folgen begreifbar und nebenbei mit der Natur vertraut zu machen. Und das in Form eines Naturerlebnispfades.
Dazu eine Definition: „Ein Erlebnispfad ist immer eine Ansammlung mehrerer Stationen in der Landschaft, die einen direkten Bezug zur Umgebung haben. Ziel ist es, Informationen zu geben und für die Wahrnehmung der Umgebung zu sensibilisieren. Benutzer sollen selbst aktiv werden. Jeder Erlebnispfad sollte einen roten Faden, ein gemeinsames Oberthema haben (z.B. Kyrill bzw. Wald) und einer einheitlichen Gestaltung folgen (Corporate Design). Der Pfad soll empfindsam machen für die Natur und Spaß bereiten.“ Diese Zielrichtung wurde strikt eingehalten. Eine weitere Frage lautete: “Wer sollte das alles vermitteln?“ Da kommt die Waldfee ins Spiel. Als positive Symbolfigur soll sie die Vermittlerin sein, die nicht wegen des Klimawandels den Zeigefinger erhebt, sondern Fakten verständlich darlegt, die Nutzer ihres Pfades auf den Stationstafeln zum Handeln anregt und mit ihrem Zauberstab sogar Gutes bewirkt. Ein Nachhaltigkeitssymbol eben, das auch mystische Elemente integriert, die vielleicht beim abschließenden Feenkranz eine fröhliche Runde erfreut.
Das „Wo“ galt es zu klären. Ein 2 – 3 km langer Rundweg wird für eine erfolgreiche Nutzung empfohlen. Das trifft für den Hängeberg genau zu und führt uns auf der Achse zwischen Bürgerwald und Bilstein mitten ins Auge von Kyrill. Gleichzeitig bereichert er die „Sauerland Waldroute“, liegt direkt an Gewerkenweg, Kammweg, Blindenlehrpfad und dem Generationenwald. Besser geht`s nicht!
Die nächste Frage war schon schwieriger: „Wie soll der Pfad umgesetzt werden?“ Wie das Interesse und Engagement der Teilnehmer wecken, wie Wissen vermitteln und zu Eigenaktivitäten auffordern, damit Freude empfunden wird? Diese methodisch-didaktischen Zielsetzungen waren nicht einfach zu lösen, zumal ein Bildungsauftrag damit verbunden war, also Qualitätskriterien einer Bildung für nachhaltige Entwicklung im Tourismus einbezogen werden mussten.
Die Entscheidung fiel für eine erlebnisorientierte Kombination von interaktiver Wissensvermittlung, sinnlicher Wahrnehmung und spielerischen Elementen, die Fachrichtungen wie Geschichte, Geografie, Geologie oder Biologie einbezieht, also interdisziplinär ist. Es sollen Einblicke in die Natur gegeben werden, immer vor dem Hintergrund, was diese beim Besucher bewirken. Welche Erinnerungen nimmt er mit? Das Motto heißt: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!“ Was ist an den Stationen geschehen? Die praktische Umsetzung war das Entscheidende. Hier ein Kurzüberblick über die acht Stationen:
1. Stürmische Zeiten:
Kyrill spielt Mikado – Eine authentische Erlebenssituation soll das Ausmaß der Schäden verdeutlichen und Betroffenheit auslösen. Gleichzeitig begrüßt die Waldfee die Gäste und spricht sie an.
2. Waldboden erleben:
Der Nährstoffkreislauf wird deutlich. Durch eigene Erforschungen können Bodentiere entdeckt und an einer Laubstreuleiter den Bildern der Zersetzungsstadien zugeordnet werden. Der aufgeweichte, durchnässte Boden ermöglichte Kyrill, die Fichten leicht umzuwerfen. Ein gesunder Waldboden gibt bessere Standfestigkeit und Verankerung.
3. Wald hat Geschichte:
Die Übernutzung der früheren Buchenwälder durch Hude, Streuentnahme, Köhlerei, Brennholz und Plaggenhieb bis zur Holznot und der Siegeszug der Fichte „zum Brotbaum des Sauerlandes“ kann durch Zuordnung von Abbildungen auf einer großen Drehscheibe, einer Baumscheibe sowie einem Schrotsägemodell be“griffen“ werden.
4. Eintauchen in die Unterwelt:
Ein Summstein aus Diabas mit einer Rundöffnung für den Kopf und Klangsteine aus Kalk lassen die Erdgeschichte „hörbar“ werden. Durch Sehrohre ausgerichtet auf die beiden Steinbrüche, aus denen die Steine stammen, wird der Blick geschärft.
5. Die Zukunft des Waldes:
Fünf Schnitzmodelle (3 m hoch) verschiedener Baumarten stehen für die Zukunft eines strukturreichen Mischwaldes. Am Hängeberg lässt sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren nachverfolgen. Dass Holz auch unterschiedlich klingt, beweist ein Dendrophon.
6. Im Reich von Jäger und Gejagten:
Durch einen sog. Drehbaum wird auf das Nahrungsnetz vom Fressen und Gefressen werden eingegangen. Außerdem lassen sich von einem Hochsitz aus durch Sehrohre Tierattrappen erspähen. Das ökologische Gleichgewicht spielt auch auf einem Pirschweg eine Rolle, auf dem man mit Wildschwein, Reh und Fuchs Wildarten unseres Waldes erleben kann.
7. Die Heilkraft des Waldes:
Mit Hängematten und Liegen sind hier Ruhepunkte gesetzt. Weiterhin laden zwei Massagebäume mit Rollen und Rippen zur selbsttätigen Wellnessaktion ein.
8. Im Wald wächst Energie:
In einer Energiehütte werden die fossilen Brennstoffe Öl und Gas mit der erneuerbaren Energiequelle Holz verglichen. Den Abschluss bildet der Waldfeenkranz mit der Waldfee auf einem Buchenstamm. Dieser dient als Zitatenbaum mit Sprüchen über den Wald, die die Fantasie anregen und Denkanstöße geben. Der Feenkranz mit den 12 Sitzblöcken (Buchstaben: W-A-L-D-F-E-E-N-K-R-A-N-Z) lädt in gemütlicher Runde dazu ein, schöne Erinnerungen aufzufrischen und mitzunehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Waldfeenpfad hervorragend in die Tourismusachse des Briloner Südens integriert und die Voraussetzung für eine Einbindung in das Marketingkonzept der BWT gegeben ist. Weiterhin hat der Themenweg Anteil an einem ganzheitlichen Verständnis der Briloner Landschaft und ist mit seiner umweltpädagogischen Ausrichtung ein wichtiger Baustein zu einem naturverträglichen Tourismus.
Allerdings muss noch einiges geschehen und ich rufe dazu auf, schnellstens die Potenziale in Schulen, Umwelt|JH, Jugendgruppen und weiteren außerschulischen Einrichtungen unserer Stadt zu wecken, um eine programmatische Nutzung nachhaltig zu gewährleisten. Und wenn ich zu Beginn von einem Verlust der inneren Bilder durch Kyrill sprach, so ist dieser Waldfeenpfad ein starkes Angebot der Waldstadt Brilon zum Ausgleich für die Defizite an Naturnähe, die unsere heutige Gesellschaft leider prägen. ADS kommt von NDS, wie ich immer sage, dem NaturDefizitSyndrom. Wenn wir das bekämpfen, kommt auch die positive Kraft der inneren Bilder zurück.
Text: Friedel Schumacher – Film: Brilon-Totallokal