Es wächst zusammen, was zusammen gehört?

Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

brilon-totallokal:  Vor 25 Jahren wurde die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten offiziell vollzogen. Ein Ereignis, welches das Leben der Menschen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs entscheidend verändert hat. Im Osten bedeutete es zunächst einmal eine Befreiung. Erst später merkten viele Menschen in der ehemaligen DDR, dass sie diese Freiheit oft mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, mit dem Wegfall der gewohnten Strukturen und dem Wegzug, vor allen Dingen junger Menschen aus vielen ländlichen Regionen, bezahlen mussten. Dem anfänglichen Einheitstaumel folgte ein „Katzenjammer“ der durch eine arrogante Art, mit der manche „Besser-Wessis“ ihre östlichen Mitbürger behandelten, nur noch verstärkt wurde. Es folgte die Ostalgie-Welle, also eine Rückbesinnung darauf, dass damals in der DDR doch nicht alles so schlecht war.

Für uns im Westen änderte sich zunächst nicht viel. Irgendwann wurde dann aber mal die Rechnung aufgemacht, dass uns die Wiedervereinigung jede Menge Geld kosten würde. Die anfangs freiwillige Solidarität wurde durch eine staatlich verordnete „Solidaritätsabgabe“ ersetzt. Staatlich verordnet? Hatte sich der ehemals „freie Westen“ nicht dadurch vom Osten unterschieden, dass hier nicht alles staatlich verordnet wurde? Schon befanden wir uns in gravierenden historischen Umbrüchen. Der Umzug der Bundeshauptstadt vom beschaulichen Bonn nach Berlin, der deutschen Hauptstadt, von der auch in der Vergangenheit nicht viel Gutes ausgegangen war, eine zunehmende Bürokratie (je größer das Land, umso schlimmer die Bürokratie), der Kollaps der Sozialsysteme und nicht zuletzt die vorschnelle Einführung einer europäischen Einheitswährung hatten und haben bis heute Auswirkungen auf jeden von uns.

„Es wächst zusammen, was zusammen gehört!“ Sicherlich einer der dümmsten Sprüche, wenn man in längeren historischen Zusammenhängen denkt. Seit der Reichsgründung durch Kaiser Otto im Jahr 962, bis zur Auflösung durch Napoleon im Jahr 1806, war das „Heilige römische Reich deutscher Nation“ ein recht loser Zusammenschluss einzelner Fürstentümer, welche große Teile Europas abdeckten, also beileibe kein Nationalstaat. Erst im 19. Jahrhundert wurde über die Gründung eines deutschen Nationalstaates nachgedacht. Die demokratische Variante nach der deutschen Revolution im Jahr 1848 kam nicht zustande, dafür gab es dann 1871 die Gründung des „Deutschen Reiches“, als kleindeutsche Lösung unter der Vorherrschaft Preußens. Es folgten einige Jahrzehnte mit völlig übersteigertem Nationalgefühl und „Hurrapatriotismus“, die erst mit der Zerschlagung der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft im Jahr 1945 und der daraus resultierenden deutschen Teilung endeten.

Zur „Silberhochzeit“ täte das wiedervereinigte Deutschland gut daran, nicht an diese unseligen Traditionen anzuknüpfen. Ein bescheidener deutscher Staat, in der Nachfolge der Bonner Republik, hat sicherlich bessere Chancen in einer sich rapide verändernden Welt, als ein deutscher Nationalstaat in preußischer Tradition, der irgendwann wieder unweigerlich in einer Katastrophe enden wird.

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