Jesu Worte wurden Musik

Brilon-Totallokal: Experiment gelungen am Karfreitag in Gudenhagen.

brilon-totallokal:  Zwei Tage nach den Attentaten in Brüssel zog es rund hundert Menschen am Nachmittag des Karfreitags ins  Albert-Schweitzer-Zentrum in Gudenhagen. In den sieben Worten Jesu am Kreuz und der musikalischen Umsetzung von Klage, Trauer, Wut und Verzweiflung konnten viele ihre  aktuellen Gefühle wiederentdecken. Im experimentelle Klangraum, so hatten die Veranstalter das Konzert angekündigt, drückte Maria, die Mutter Jesu, mit Liedern in aramäischer, arabischer, englischer, deutscher und lateinischer Sprache ihre Gefühle unter dem Kreuz aus. Schirin Partowi setzte mit ihrer warmen, großen Altstimme die sieben Worte Jesu am Kreuz in den Raum.

Markus Stockhausen und Tana Bouman, die Moving Sounds, nahmen Partowis Töne mit Trompete und Bassklarinette auf, verwandelten sie und spielten sie sich gegenseitig zu. So bildeten sie ein  Netzwerk von Tönen, das der Mutter Jesu Raum gab für Verzweiflung, Wut, Auflehnung, Nachdenken und Trost. Markus Stockhausen setzte mehrfach den großen Gong in Bewegung, der Schall verteilte sich im Kirchraum, weckte Aufmerksamkeit, strengte an – dazu die klagende Klarinette, die weinende und wieder Trost spendende Altstimme.  Sie spiegelten Marias Widerstand und Ergebung unter dem Kreuz.

Manchmal fast unerträglich erklang die Klage der Mutter, die um ihren Sohn trauert, sein Gebet für die Mörder nicht versteht, die sich erinnert an die harte Geburt und ihre Scham,  als der Sohn die Freunde der Familie vorzog und lieber im Tempel Jerusalems zu Hause war, als mit den Eltern nach Nazareth zu ziehen. Pfarrer Rainer Müller ging – angeregt von den Worten Jesu am Kreuz – mit Maria auf biographische Spurensuche. Erst als er stirbt, wird ihr widerstrebend klar, wer ihr Sohn ist, dass sie ihn loslassen muss, zunächst in die Gottverlassenheit und am Ende in Gottes Hände. Bilder von Skulpturen, mit denen Käthe Kollwitz und Ernst Barlach menschliches Leid und die Verlassenheit des Gottessohnes darstellen, veranschaulichten Worte und Klänge.

Klanglicher und inhaltlicher Höhepunkt war der Schrei Jesu: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dazu ein farbiges Pressefoto: Eine arabische aussehende Frau hält ihr totes Kind im Schoß. Die Gegenwart rückt der Gemeinde auf den Leib, das einzige Farbfoto zeigt die Aktualität des Karfreitags. Der Spannungsbogen der Worte, Lieder und Bilder mündet in Jesu Gebet: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“  Partowi singt in aramäischer Sprache das „Vater unser“. Und zeigt eine Perspektive vom Kreuz zum Leben auf, das eine Chance bekommt, wenn Menschen ihr Leben in Gottes Hand legen, dem Bösen widerstehen und Gottes Paradies entgegen gehen, einem Leben in Frieden und Gerechtigkeit.

Nach dem Segen bliebt es zunächst still im Kirchraum – wer zugehört hat, muss erst wieder ankommen im eigenen Leben – doch dann bedankt sich das Publikum bei den Künstlerinnen, dem Künstler und Pfarrer Rainer Müller für das gelungene musikalische und theologische Karfreitagsexperiment.

Bild: Mit Gesang, Trompete und Bassklarinette haben Schirin Partowi, Tana Bowman und Markus Stockhausen zum Nachdenken am Karfreitag geführt.

Text + Bild: Kathrin Koppe-Bäumer

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