Brilon-Totallokal: Auch der Sauerländer ist Westfale – eine Führung in Gebärdensprache am 6. Juli 15 Uhr
brilon-totallokal: Vom „Schlichte“ Steinhäger Bauchladen über das Hausaltärchen, Musterbücher für Handtücher, einen Kasten mit Dr. Oetker Pudding- und Packpulvertütchen, die Ziegengans eines Münsteraner Zoodirektors, eine Pumpernickel Backform, eine Dürrkamp Nähmaschine und Modelle von Claas Traktoren, einen Presslufthammer der Glückauf GmbH und eine Mofa Tanksäule der Westfalen AG bis zum Spaghetti Kochtopf eines Italienischen Gastarbeiters,- eine Fundgrube von Zeitzeugnissen und gut aufgemachten Informationstafeln zieht sich durch das Untergeschoss des Museums Haus Hövener. Die Wanderausstellung „200 Jahre Westfalen“ macht vom 3.Juli bis zum 28. August Station in Brilon. Maßarbeit war angesagt für Dr. Ute Koch (wissenschaftliche Referentin des LWL) und ihre Mitarbeiterin Marion Kaiser (wissenschaftliche Volontärin), um die wertvollen Inhalte von zwei 7,5-Tonnern in den kleinen Räumen unterzubringen. Aber gerade das Verwinkelte macht die Sache für Besucher spannend. Nicht alles auf einmal sehen, sondern einen Raum wirken lassen und dann erwartungsvoll den nächsten erobern.
Von „Spurensuche und Tiefenbohrung“ sprach Dr. Koch beim Pressegespräch am 29.6. im Haus Hövener. Spurensuche auch nach Gemeinsamkeiten der Menschen aus dem Sauer- und Siegerland, Wittgenstein, Ostwestfalen, Minden-Ravensberg, dem Münsterland und dem östlichen Ruhrgebiet, die vor 200 Jahren als Folge des Wiener Kongresses durch die Gründung der neuen preußischen Provinz Westfalen wurden.
Wie das denn nun mit den dem Westfalen zugeschriebenen Vorlieben für schwarzes Brot und Schnaps sowie den Eigenschaften stur, fleißig, schweigsam und humorlos als Quelle eventueller Gemeinsamkeiten in den Regionen ist, geht aus der Ausstellung nicht hervor. Aber im Bereich Wirtschaft gab und gibt es viele Verbindungen untereinander und zu Brilon. Darauf wies Winfried Dickel (kommissarischer Leiter des Museums) hin. Das Haus Hövener sei als Ausstellungsort ideal, denn „hier ist die Wiege der Wirtschaft für die gesamte Region“. Betriebe seien ins Ruhrgebiet abgewandert, als die Steinkohle der Holzkohle den Rang streitig machte. Aber viele Weltmarktführer seien geblieben bzw. dazu gekommen.
In der 1. Abteilung der Ausstellung „Wirtschaft der Regionen“ präsentieren diese ihre vielfältige Industrie und stellen sich vor. Z.B. Metallverarbeitung, Forstwirtschaft, Zement- und Stahlindustrie, Eisenbahn- und Maschinenbau oder auch die Pferdezucht im Münsterland. „Es geht um technische Wunderwerke, Hidden Champions und Global Player, um Visionäre und erfolgreiche Unternehmer, um Fremde und Heimat.“ (Dr. Ute Koch) Kaum einer der Besucher wird vorher eine Ahnung davon haben, was da im Verlauf der Geschichte so alles z.T. weltweit unterwegs war aus der Region, in der er lebt.
Beim Gang durch die Geschichte, dem 2. Thema der Ausstellung, reicht die Chronologie vom Wiener Kongress (1815) über die Revolution 1848/49, das Deutsche Kaiserreich, die beiden Weltkriege, die Gründung NRWs und den Strukturwandel ab Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Das Musée sentimental mit der schon erwähnten Ziegengans ist die dritte Abteilung. Dort präsentieren sich die Kreise und kreisfreien Städte jeweils mit einem ausgewählten Exponat. Überwiegend Alltagsgegenstände erzählen und dokumentieren die spannende Geschichte Westfalens aus der Sicht des „wirklichen Lebens“ und die Vorlieben der einzelnen Regionen.
Aber nicht nur anschauen und lesen ist angesagt. Wer Lust hat, kann auch hören und zwar Texte von Annette von Droste-Hülshoff sowie Dialekte aus ganz Westfalen.
Selbstverständlich war die Wahl Brilons als Ausstellungsort nicht. Nach einer Ausschreibung des LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) bekamen Brilon und fünf weitere Städte den Zuschlag.
Öffnungszeiten, Führungen und Preise
Die Ausstellung „200 Jahre Westfalen“ ist geöffnet zu den normalen Öffnungszeiten des Museums:
Dienstags bis sonntags jeweils von 11 – 17 Uhr
Führungen werden jeweils um 15 Uhr angeboten: am 5. Juli, 6. Juli (mit Gebärdendolmetscher), 12. Juli und 13. Juli. Termine für August werden noch bekannt gegeben.
Eintrittspreise: Ausstellung: 3 Euro (mit Führung: 4 Euro) pro Person. Kinder und Jugendliche sind frei.
Besichtigung des ganzen Hauses inkl. Ausstellung: 4 Euro
Kontakt Haus Hövener: Tel: 02961-9639901 E-Mail: [email protected]
Text + Bild: Barbara Aulich