Thema Sucht: Betriebsbesichtigung Klinik Brilon-Wald

CDU-Mitglieder nutzten die politische Sommerpause und informierten sich im Rahmen ihrer Betriebsbesichtigung bei der Klinik Brilon-Wald über das Thema Sucht

brilon-totallokal:  Die CDU Brilon und der heimische Bundestagsabgeordnete nutzten die politische Sommerpause, um Betriebe zu besichtigen. Unter anderem ging es nach Brilon-Wald.  Die CDU besuchte dabei die idyllisch im Wald gelegene Psychosomatische Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen.

Ein Schützenfest jagt das andere. Die Schützenfestsaison ist in vollem Gange. Brauereien und örtliche Getränkemärkte freuen sich über die absatzsteigernden Festlichkeiten. Früher wie heute nimmt bei den Festen im Sauerland der Alkohol einen großen Stellenwert ein. Inwieweit dieser jedoch gefährlich werden kann, darüber informierten sich die Mitglieder bei Chefarzt Dr. Turan Devrim, Facharzt der Klinik Brilon-Wald und Joachim Gros, Verwaltungsleiter der Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen.

Ohne „Schnäpschen“ oder „Bierchen“  und nur mit einem „Wässerchen“ in der Hand, fällt man auf. Chefarzt Dr. Devrim schmunzelt: „Jemand, der kein Gift trinkt, muss erklären, warum er das nicht trinkt.“ Die Verniedlichungen der alkoholhaltigen Getränke sind ihm ein Dorn im Auge. Dr. Devrim`s Klientel setzt sich schwerpunktmäßig aus Alkoholabhängigen und Risikokonsumenten zusammen. „Was passiert, wenn Sie nicht trinken?“ Das ist die entscheidende Frage. Bei Antworten wie „Ich werde unruhig, ich kann nicht schlafen“, müsse über einen körperlichen Entzug nachgedacht werden, der rund vier Wochen dauern kann. Die Behandlung der psychischen Abhängigkeit, die Entwöhnungstherapie, dauert länger, etwa 14 Wochen. Bei den Risikokonsumenten ändere sich neben der Toleranzhöhe auch das Freizeitverhalten. Die Gefahr, abhängig zu werden, ist groß. Um die 40 Jahre alt sind seine Klienten. Durch Vereinsamung und den demografischen Wandel nehme das Alter seiner Patienten zu. Wenn jemand keine Alternative hat, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, oder nicht weiß, mit Belastungen umzugehen, dann besteht die Gefahr des Tunnelblicks: „Der ganze Tag ist bestimmt durch den Konsum. Der Alkohol ist mein Partner. Alles ist weg, nur er bleibt.“ Das Klinikum bietet den Patienten ein breites therapeutisches Spektrum, um diese Probleme in den Griff zu bekommen. „Neben der Werk- und Kunsttherapie oder der Kooperation mit dem Tierheimschutzverein Brilon gibt es – ganz neu – eine modern eingerichtete Lehrküche“, so Gros.

Bei den Gesprächstherapien geht es auch um die abschreckenden langfristigen Folgen. Denn der Alkohol führt statistisch gesehen zu einer Reduktion der Lebenserwartung um 23,4 Jahre. Sämtliche Organe wie Herz, Leber, Bauchspeicheldrüse oder das Gefäßsystem werden durch den Alkohol geschädigt.

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Patrick Sensburg stellte dar, was von Seiten der Bundesregierung und der Drogenbeauftragten bisher gemacht worden ist. Doch gerade auch für die Kommunalpolitik sind die Erkenntnisse wichtig, betonten Diekmann und Sensburg.

Dr. Devrim und Gros beantworteten weitere Fragen der Mitglieder:

Wie wird man Risikokonsument? Stellen die Schützenfeste eine Gefahr dar, Risikokonsument zu werden?

Devrim: „Das Ziel solcher Treffen ist oftmals das Trinken selbst. Es geht dabei um Trinken in sozialen Verbindungen. Hier bestimmt noch nicht der Alkohol den Alltag, aber hieraus kann sich über einen zunehmenden Konsum eine Abhängigkeit bilden.“

75 bis 80 Prozent Ihrer Patienten sind alkoholabhängig, andere medikamentenabhängig oder drogensüchtig. Wie hoch sind die Rückfallquoten?

Devrim: „Die Rückfallquote bei Alkohol liegt bei 50 Prozent nach einem Jahr, nach weiteren Jahren kommen jeweils 50 Prozent jährlich hinzu. Jeweils zehn bis fünfzehn Prozent unserer Patienten sind medikamentenabhängig. 70 Prozent der Medikamentenabhängigen sind nach der Therapie abstinent. Neben der Substanzabhängigkeit sehe ich auch die substanzungebundenen Suchterkrankungen, insbesondere die zunehmende Internetsucht als Problem.“

Welche politischen Präventionsmaßnahmen wünschen Sie sich?

Devrim: „Politisch sinnvoll ist sicher nicht das gesellschaftliche Verbot legaler Suchtmittel. Sinnvoll wäre, den Verkauf von Alkohol ab einer bestimmten Uhrzeit zu verbieten. Auch die Werbung für Alkohol sollte verboten werden. Dadurch könnten nicht nur Straftaten, sondern auch Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss gemindert werden. Aufklärungskampagnen sind weiterhin wichtig. Das Humankapitel fällt in dem Maße, in dem der Anteil der Abhängigen steigt, da durch die Abhängigkeit nicht unerhebliche und auch nicht selten körperliche wie psychische Folgeschäden mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit entstehen. Brilon ist ein Gesundheits- und Wirtschaftsstandort. Daher sollten lokale Einrichtungen, die mit suchtkranken Menschen arbeiten, ihre kommunalen Vernetzungen verbessern.“

Welche Wünsche richten Sie an die Kommunalpolitik?

Gros: „Wir wünschen uns eine stärkere Zusammenarbeit der Gesundheitseinrichtungen in Brilon, so dass Brilon auch als Gesundheitsstandort stärker am Markt positioniert werden kann.“

Fakten: In Deutschland gibt es bei rund 81 Millionen Menschen drei Millionen Alkoholabhängige, acht bis neun Millionen Risikokonsumenten und 1,5 Millionen Medikamentenabhängige. Jeder vierte bis fünfte Mensch ist ein Hochrisikokonsument.

Die Klinik Brilon-Wald wurde 1930 erbaut und diente zunächst als Lungenklinik. Seit 1983 ist die Klinik eine Suchtklinik, insbesondere für Alkoholabhängige. Das 100 Betten starke Haus ist abseits des Ortes im Wald gelegen und bietet einen geschützten stationären Rahmen für Menschen mit Sucherkrankungen. Ärzte, Gruppentherapeuten und Krankenschwestern ermöglichen es den Patienten, sich eine Grundlage zu schaffen für ein zufriedenes, selbstbestimmtes Leben – entweder  in dem vorhandenen sozialen und/oder beruflichen Umfeld oder auch für den Fall einer völligen Neuorientierung.

Foto: Mitglieder der CDU mit Chefarzt Dr. Turan Devrim (dritte Person von links) und Verwaltungsleiter Joachim Gros (erster von rechts) sowie dem heimischen Bundestagsabgeordneten Dr. Patrick Sensburg (Mitte)

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