Ein geborener Briloner und eine Brilonerin – Eduard Pape und Wilhelmine Hövener

Brilon-Totallokal:  Erinnerung an zwei bedeutende Persönlichkeiten der Stadt im Museumsgarten Haus Hövener

brilon-totallokal:   An zwei Geburtstagskinder dieser Woche erinnerten Dr. Patrick Sensburg  und Rektor i.R. Manfred Okon am 10.9. im Museumsgarten Haus Hövener:  Eduard Pape, dessen Name den meisten Brilonern nur von der nach ihm benannten Schule bekannt ist, die es nun auch nicht mehr gibt, wäre am 13. September 200 Jahre alt geworden und Wilhelmine Hövener, in deren Garten hinter ihrem ehemaligen Haus bei strahlendem Sonnenschein der 4. Geschichts-Thementag (Briloner Geschichte, Gesichter und Geschichten) stattfand,  würde genau auch am 13.9. ihren 110. Geburtstag begehen.  Sie gehörte zum Stadtbild und gehört auch heute noch zu Brilon, Heinrich Eduard von Pape eher nicht.  Er lebte nur bis zu seinem 15. Lebensjahr in Brilon.

Zwei sehr unterschiedliche Würdigungen stießen auf großes Interesse und große Anerkennung bei den Gästen.  Dr. Patrick Sensburg stellte in den Fokus seiner Ansprache das Werk Papes, und es gelang ihm, den eher trockenen Stoff von Recht und Geschichte sehr anschaulich und fesselnd darzustellen.  Manfred Okon  erweckte den Menschen Wilhelmine Hövener zum Leben, nahm die Zuhörer mit auf eine virtuelle Zeitreise durch die Seitentür des alten Gymnasiums über die knarrende ausgetretene Treppe, wo vielleicht gerade im Nebenraum die Lehrerin korrigierend über Hefte gebeugt saß.  „Sie kontrollierte alles äußerst genau, und nicht selten gab es Berichtigungen der Berichtigungen.“

Ausdauer, großer Fleiß, Beharrlichkeit, Wissbegier, war wohl beiden Persönlichkeiten der Stadt mit in die Wiege gelegt.

Eduard Pape wurde am 13.9.1816 in der Bahnhofstraße 13 als Sohn einer angesehenen katholischen Juristenfamilie geboren.  Sein Vater war Stadtrichter und Syndikus in Brilon.  Bis zu seinem 15. Lebensjahr wuchs er in Brilon auf, besuchte das Gymnasium Petrinum, machte sein Abitur jedoch in Recklinghausen und kehrte auch nicht mehr nach Brilon zurück.  Seine steile Karriere als Jurist und auch in der Politik, bekamen die Briloner  gar nicht mit, weil auch keine Verwandten mehr in Brilon wohnten, die mal was hätten erzählen können.  Dass er als bevollmächtigtes preußisches Mitglied ab 1857 an der Ausarbeitung für ein gemeinsames Handels- und Seerecht beteiligt war, und, dass er zum Geheimen Oberjustizrat und preußischen Bevollmächtigten im Bundesrat des Norddeutschen Bundes und im Zollverein ernannt wurde, drang ebenfalls nicht nach Brilon und hätte die Leute vielleicht auch gar nicht interessiert.  

Dabei war, wie Dr. Sensburg  mit einem  Bild des damals bestehenden Flickenteppichs von Fürsten-, Herzogtümern und sonstigen eigenständigen Gebieten, in denen die einzelnen Landesväter die Rechtshoheit hatten, zeigte, Papes Vision der Vereinheitlichung der Rechtsprechung sensationell.  Ihre Verwirklichung wurde nach dem Entstehen des Deutschen Reiches durch  den Einsatz einer Kommission zur Erarbeitung eines allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Weg gebracht.  Mit dem Amt des Präsidenten betraute Reichskanzler Otto von Bismarck Heinrich Eduard von Pape.  In fleißiger Nachtarbeit machte der aus Beschlüssen der Kommission kurze aussagekräftige Paragraphen und läutete damit die Geburtsstunde des BGB ein, das, wie Dr. Sensburg sagte weltweit ein absoluter Erfolgsschlager wurde und noch heute (mit zeitangepassten Änderungen) Grundlage unserer Rechtsprechung ist.  Das Bestechende an Papes Paragraphen sei : „Wo wir heute ein ganzes Buch an Zusätzen brauchen, reichten ihm zwei Sätze“.  Ein Jahr nach seinem Tod wurde auf dem Briloner Marktplatz ein monumentales Denkmal aus Rüthener Grünsandstein errichtet, mit einer überlebensgroßen Bronzefigur Papes,  bei dessen Enthüllung am 13.9.1899 der Urgroßvater von Eckhard Lohmann die Festrede hielt.  Den Brilonern gefiel das Denkmal bald nicht mehr.  Der erste Weltkrieg besiegelte sein Schicksal.  Die Bronzefigur wurde requiriert und für Rüstungsbedarf eingeschmolzen.  Die Sandbausteine fanden nach und nach den Weg in andere Briloner Mauern oder Häuser, wo ausgebessert werden musste.

Wilhelmine Hövener, über die muss man gar nicht so viel schreiben, sie ist noch vielen Brilonern lebhaft im Gedächtnis. Ganz in der Nähe des Geburtshauses von Eduard Pape wurde sie am 13.9. 1906 geboren.  Sie ist der  letzte Spross der bedeutenden Kaufmanns- und Gewerkenfamilie Kannengießer /Unkraut , die seit dem 17. Jahrhundert in Brilon ansässig war.  Sie studierte Mathematik, Physik und Erdkunde.  Von 1946 bis zur Pensionierung 1977 unterrichtete sie am Gymnasium Petrinum.

„Strickpullover, langer Rock, alles in zeitlosem Grau, Baskenmütze“, da ging schon ein zustimmendes freundliches Schmunzeln durch die Reihen.  Manfred Okon zeichnete sehr behutsam, vielschichtig  und respektvoll das Bild einer Frau, deren Leben so anders, so außergewöhnlich war. Ihr Blick signalisierte Wärme, Klugheit, in Anspruch nehmen und Neugier.   Ver- und  Bewunderung, Kopfschütteln, maßloses Erstaunen,  -unterschiedliche Reaktionen habe es immer auf Minna gegeben, auch die Einschätzung von  „verschroben, skurril, geizig“.  Oft blieben die Öfen in dem großen alten Gewerkenhaus am Markt 14 aus.  „Wenn in der Schule sowieso geheizt wird, kann ich auch da arbeiten.   „Und Lernen kann man auch bei Laternenlicht und mit den eingesammelten Apfelsinenkisten vom Markttag Feuer anmachen.“  Aber sie schenkte Arbeitern auch den Weihnachtslohn, kein arbeitsloser Familienvater klopfte vergeblich an ihrer Haustür,  den Erlös für das Altpapier, das sie sammelte, gab sie der Mission, und sie war eine gute Zuhörerin für die Bewohner des Altenheims.    

Vor allem war sie eine gute und wertgeschätzte Lehrerin.  Man wusste, woran man bei ihr war und ihr Lehrprinzip war: alle sollen folgen können.  Dank ihres phänomenalen Gedächtnisses, konnte sie auch im hohen Alter bei Klassentreffen, die ihr ein großes Vergnügen waren, ihren Ehemaligen noch erzählen, wie das denn mit ihnen so war, früher auf der Schulbank.  Sie lebte allein und bescheiden in ihrem prächtigen und geschichtsträchtigen  Haus, änderte nichts.  Nicht nur im Hinblick auf die Einrichtung des Hauses und der Lebensweise wohnte ihr eine Beharrlichkeit inne, an Dingen und Einstellungen festzuhalten, von denen sie überzeugt war, sondern auch gegenüber, Kirche, Institutionen und Ämtern.  Okon: „Sie konnte schon sehr anstrengend sein.“

Mit zunehmendem Alter machte sie sich Gedanken darüber, was denn mal werden sollte mit den ganzen Werten des Hauses und den vielen Schriftstücken.  1994 schrieb sie einen Brief an das LWL Freilichtmuseum Detmold, sie habe eventuell etwas Brauchbares abzugeben.   Die, die dann kamen, um das „Brauchbare“ anzusehen, fielen aus allen Wolken, denn das erwies sich als ungeheuer bedeutend für ganz Westfalen. Den Hauptteil der Exponate schenkte sie dem Freilichtmuseum. 

Alles andere vermachte sie den Brilonern über die  Stiftung „Briloner Eisenberg und Gewerke-Stadtmuseum Brilon“, die 1996 gegründet wurde.  Am 17.12.1999 verstarb Wilhelmine Hövener in ihrem Haus. „Dinge, die ihr kostbar waren, hat sie in unsere Obhut gegeben, so bleibt sie unter uns“, sagte Manfred Okon .  „Sie hat uns allen ihren Besitz geschenkt, wir dürfen sie nicht enttäuschen.“  So wie es aussieht, würde sie aber wohl zufrieden sein mit der  Entwicklung des Hauses seit der Öffnung 2011.  Ein Haus des Forschens und des Lernens, des Wahrens und Weitergebens der Geschichte und auch der Integration sei es geworden. „ Ein  Haus, das lebt.“

Text + Bild: Barbara Aulich

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