Stichwort der Woche: Kolonialwarenhandel

Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

brilon-totallokal: Kolonialwaren, ein Wort das so schön altertümlich klingt, so nach „Tante-Emma-Laden“ und seltenen Genüssen aus fernen Ländern. Unter Kolonialwaren verstand man alle Produkte, die im alten Europa nicht wuchsen oder nicht selbst hergestellt werden konnten. Also bezog man diese Waren aus den Kolonien. Auf welche Art das passierte wissen wir heute – die Ureinwohner dieser Länder in Afrika und Asien wurden durch rücksichtslose Militärs und Unternehmer unterdrückt und versklavt. Unter unmenschlichen Bedingungen schafften sie die Waren heran, die dann per Segel- oder Dampfschiff die Bewohner Europas erreichten. Heute gibt es natürlich keine Kolonien mehr, in den freien Staaten Afrikas, Südamerikas und Asiens arbeiten demnach freie Arbeiter in freien Fabriken und freie Bauern pflanzen für uns Baumwolle, Kaffee und Kakao an?

Fast alles, was wir in Kürze an Geschenken unterm Weihnachtsbaum finden, hat weite Wege hinter sich. In fast allen Bereichen gibt es nämlich keine regionale Produktion mehr in Europa. Textilien und Schuhe, aber auch die meisten technischen Geräte werden, oft unter unmenschlichen Bedingungen, von modernen Sklaven in aller Welt produziert. Riesige Containerschiffe schippern einzelne Produktionsteile und Halb- und Fertigprodukte quer über die Weltmeere, damit wir hier „billig“ einkaufen können. Durch die Verbrennung von Schweröl wird das Weltklima viel stärker belastet, als es durch irgendwelche Ökoenergien in Europa entlastet werden kann. Dazu kommen natürlich auch noch die Luftfracht und der Weitertransport der Waren per LKW auf dem Landweg. Seltsamerweise werden, bei allen Bekenntnissen zur Änderung der Klimapolitik, diese Hauptursachen des Klimawandels nie zur Sprache gebracht. Die Globalisierung ist anscheinend die Heilsbotschaft der Moderne, deren Schattenseite nicht thematisiert werden darf.

So haben wir dann wirklich eine „schöne Bescherung“ unterm Weihnachtsbaum liegen: Das neue Smartphone, bestückt mit seltenen Erden, die im Kongo in Sklavenarbeit abgebaut wurden und das dann in asiatischen Billiglohnländern von rechtlosen Wanderarbeitern montiert wurde, Schuhe und Bekleidung, ebenfalls in asiatischen Ländern ohne Umwelt- und Sozialstandards hergestellt, Pralinen, deren leckerer Kakaoüberzug aus brandgerodeten Flächen und pestizidbelastetem Anbau in Afrika oder Lateinamerika stammt…. Und das alles um den Geburtstag jenes Menschen zu feiern, der vor über zweitausend Jahren seine Stimme gegen Gier, persönliche Bereicherung und für Mitmenschlichkeit erhoben hat! Ich möchte Ihnen nicht die Freude an den Geschenken vermiesen, aber man sollte vielleicht doch einmal darüber nachdenken, in was für einer schizophrenen Welt wir leben.

Ihr Norbert Schnellen

Teilen Sie diesen Bericht mit Ihren Freunden