Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen: Das Land der Gerechten?
brilon-totallokal: In der vergangenen Woche veröffentlichte ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksender in diesem Bundesland eine Umfrage über „Gerechtigkeit“. Befragt wurden 1.003 Leute, das reicht heute wohl schon für eine „repräsentative Meinung“ aus. Demnach befanden 58 Prozent der Befragten (immerhin knapp 582 Menschen von 18 Millionen!), dass es in unserem Bundesland „eher gerecht“ zugeht. 31 Prozent (311 von 18 Millionen) sind der Meinung, dass es hierzulande „eher ungerecht“ zugeht. Der Rest hatte offenbar keine Meinung oder fand die Frage einfach nur völlig daneben. Damit ist NRW mal wieder absolut Spitze, denn im Bundesdurchschnitt meinen nur 50%, dass es „eher gerecht“ zugeht. Am besten finde ich ja die Fragestellung an sich. Was versteht man denn unter „Gerechtigkeit“? Ist es gerecht, dass wir hier im Durchschnitt kältere Temperaturen haben als in Baden-Württemberg oder dass NRW Fußballklubs seltener deutscher Meister werden als Bayern-München?
Bei konkreterer Fragestellung verschiebt sich dann auch der positive Gesamteindruck. Bei der Frage der Vermögensverteilung finden diese nur 22 Prozent als „eher gerecht“ und 67 Prozent als „eher ungerecht“. Auch der Unterschied zwischen den Einkommen wird von 64 Prozent als „eher ungerecht“ und nur von 29 Prozent als „eher gerecht“ eingestuft. Nicht anders beim Wohnungsmarkt, nur 29 Prozent der Befragten sehen hier eine „eher gerechte“ Marktsituation, 58 Prozent empfinden die Lage auf dem Wohnungsmarkt als „eher ungerecht“. Nur im Bereich Bildungschancen schneidet unser Bundesland (seltsamerweise) gut ab, 53 Prozent sind der Meinung, dass unser Bildungssystem „eher gerecht“ ist, 44 Prozent sehen es als „eher ungerecht“ an. Leider steht nicht dabei, ob es sich bei den Befragten „eher“ um Menschen mit schulpflichtigen Kindern handelte, oder „eher“ um Menschen, die mit dieser Materie nichts oder nichts mehr zu tun haben.
Was in aller Welt besagt eine solche Umfrage? Eigentlich nichts über die tatsächliche Stimmung im Lande, dafür aber sehr viel über die Auftraggeber der Befragung. Bei den öffentlich-rechtlichen Medien sitzen nun mal mehrheitlich die Vertreter der jeweiligen Landesregierung in den Kontrollgremien. Wenn dann die eher desaströsen Antworten auf konkrete Einzelfragen hinter einer schwammigen Gesamtaussage: „Klare Mehrheit findet, dass es in NRW insgesamt gerecht zugeht“ verschwinden, kann man sicher davon ausgehen, dass eine Landtagswahl vor der Tür steht. Leider wird dabei nicht entschieden, wieviel Prozent der Menschen es „eher schlecht“ finden, wenn öffentliche Gelder für solch schwachsinnige Umfragen verschwendet werden.
Ihr Norbert Schnellen