Uli Borowka liest aus seinem Buch „Volle Pulle“

Brilon-Totallokal:  „Die Axt“ über Adrenalin, Alkohol, Aggression und Abstinenz

brilon-totallokal: „Die Axt“ redet Tacheles. Die „Axt“ wurde Uli Borowka auf dem Platz genannt. „Ich war ein Alfa-Tier“, sagte jetzt der zweimalige Deutsche Meister, DFB-Pokalsieger, Europapokalsieger und sechsfache Nationalspieler vor über 160 Zuhörern im Atrium der Sparkasse Hochsauerland. „Und ich war ein Gefangener in einer Ritterrüstung.“ 16 Jahre exzessiver Alkoholkonsum gegen Selbstzweifel, 14 Jahre Medikamenteneinnahme gegen Schmerzen. Uli Borowka schildert auch die Hochgefühle, Gegenspielern wie Klinsmann oder Möller Angst eingejagt zu haben, oft als Sieger vom Platz gegangen zu sein und eine Zeit lang als bester Abwehrspieler der Bundesliga gegolten zu haben. Das war nach seiner Aussage eine brutale Zeit des Doppellebens mit Leistungssport und Alkohol, die im Jahr 2000 eine Zäsur erfährt: Der Ex-Bundesliga-Profi von Borussia Mönchen-Gladbach (unter Trainer Jupp Heynckes) und Werder Bremen (unter Trainer Otto Rehhagel) macht auf Veranlassung von letzten verbliebenen Freunden eine stationäre Therapie in der Suchtfachklinik Bad Fredeburg.

Den Einstieg in der Suchtklinik Fredeburg mit 4,1 Promille bei der Aufnahme beschreibt Uli Borowka als brutal, wie so vieles in Borowkas Leben. Eigentlich alles: als Profi-Fußballer („Als Spieler wirst du vom Verein als reines Kapital gesehen“), als Freund und Familienmensch („Ich war ein Arschloch“), zu sich selbst („zwei, drei Pullen Wein, eine Kiste Bier: Ich habe Schindluder mit meinem Körper getrieben“). Und auch nach 17 Jahren Abstinenz ist es im Alltag manchmal noch schwierig: „Es ist nicht einfach, als trockener Alkoholiker in Deutschland zu leben. Alkohol ist bei uns ein Kulturgut.“

Von den harten Zeiten und Seiten berichtete Uli Borowka auf Einladung der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes Brilon in Kooperation mit dem SV 20 Brilon und der Sparkasse Hochsauerland auf der Lesung aus seiner Autobiografie „Volle Pulle – Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“. Dabei glich die Lesung eher einem lockeren, weil offenen Frage-Antwort-Spiel. Rund 90 Minuten saß die „Axt“ auf der Bühne. Keine 20 Minuten richtete sich Borowkas Blick durch die Lesebrille hinab auf die Buchstaben. Drei kurze Leseeinlagen, denen immer die höflich-einladende Aufforderung folgte: „Fragen Sie! Fragen Sie mich ruhig!“ Lieber miteinander sprechen, als dass nur einer stur vorliest, während der Rest schweigen und zuhören muss. Lesen kann man auch alleine zu Hause. Miteinander reden nicht.

Uli Borowka, der dreimal gegen Weltfußballer Diego Maradona spielte und diesem kaum eine Chance ließ, äußerte auch Kritik. Auch dem gegenüber, was vielerorts gang und gäbe und damit lieb gewonnene Gewohnheit ist. Zum Beispiel der Biergenuss am Spielfeldrand, während der Nachwuchs trainiert. Oder, dass Vereine ausgezeichnet werden, weil sie kein Bier an unter 16-Jährige ausschenken. „Eine Auszeichnung dafür, dass das Jugendschutzgesetz eingehalten wird? Ist das noch normal?“ Für den 53-jährigen Ex-Profi nicht, da hob er auch einmal mahnend den Zeigefinger: „Es gibt Orte, dort sollte Alkohol verboten sein. Wir sind die Erwachsenen. Wir haben eine Vorbildfunktion. Die Verantwortung liegt in unseren Händen. Wir sollten Bier nicht vor den Kindern trinken.“ Da vertrat der Ex-Profi-Kicker klare Standpunkte und blieb zugleich Realist mit Blick auf das Millionen-Sponsoring und Werbegeschäft von Brauereien und Wettanbietern im Profisport. Bei solchen Passagen wirkte der früher hartgesottene Profi einen Augenblick lang fast machtlos. Atmete durch, sammelte sich, setzte neu an: „Aber es zählt auch, was wir machen. Was jeder Einzelne tut. Und was ich tue, ist, meine Meinung zu sagen.“ Und die klang brutal ehrlich und offen, wie die spannende Biografie „Volle Pulle“, was daran liegen mag, dass Borowka seine heutigen Ein- und Ansichten auf die harte Tour erlangt hat: „Ich bin trockener Alkoholiker und ich weiß, dass ich ein Leben lang gefährdet sein werde.“ Der Gefahr ist sich Borowka bewusst, ebenso sicher sei er sich den für ihn typischen hart ausgeprägten Willen und Ehrgeiz. Dieser Zweiklang hilft ihm jetzt und er will andere, vor allem Jüngere ermutigen. Komasaufen oder Gruppenzwang: „Wer Nein sagt, der ist wirklich stark!“

Info: Rat und Hilfe vor Ort
Die Lesung „Volle Pulle“ wurde als Präventionsveranstaltung von der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes Brilon in Kooperation mit der Sparkasse Hochsauerland und dem SV Brilon initiiert. Informationen sowie Rat, Hilfe und Begleitung (auch von Angehörigen) zu den Themen Alkohol-, Medikamenten-, Drogen- und Spielsucht sowie über die ambulante Rehabilitation bietet das Team der Suchtberatungsstelle an – anonym und kostenlos. Über Telefon (02961) 7799770, via Mail [email protected] oder auf www.caritas-brilon.de

Quelle: Sandra Wamers, Caritasverband Brilon

 

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