Stichwort der Woche: Arbeit im Umbruch

Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

brilon-totallokal: „Mit modernen Produktionsmethoden ist die Möglichkeit gegeben, dass alle Menschen behaglich und sicher leben können; wir haben es stattdessen vorgezogen, dass sich manche überanstrengen und andere verhungern. Bisher sind wir noch immer so energiegeladen arbeitsam wie zu der Zeit, da es noch keine Maschinen gab; das war sehr töricht von uns, aber sollten wir nicht auch irgendwann einmal gescheit werden?“ Es ist fast siebzig Jahre her, dass der britische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russel diese Zeilen in seinem Werk „Lob des Müßiggangs“ schrieb. Seitdem sind wir offensichtlich nicht gescheiter geworden. Die zunehmende Automatisierung in den vergangenen Jahrzehnten hat nicht zu einer gravierenden Verkürzung der Arbeitszeit geführt, sondern zu einem globalen Ungleichgewicht in der Verteilung der Arbeit und vor allen Dingen in der Verteilung der hieraus erwirtschafteten Gewinne. Die zu erwartenden Auswirkungen der Industrie 4.0 werden diese Entwicklung noch weiter forcieren.

Gerade wir Deutschen haben ein besonderes Verhältnis zur Arbeit. Die momentane wirtschaftliche Entwicklung in Europa führt dazu, dass wir uns überarbeiten und mit einer gewissen Verachtung auf unsere europäischen Nachbarn herunterblicken, die nicht so viel malochen wie wir. Andererseits wundern wir uns, dass die Bewunderung für die Deutschen langsam in das Gegenteil umschlägt. Das ärgert uns natürlich, weil wir ja durch unsere hohen EU-Beiträge für diese „ganzen Faulenzer“ mitarbeiten müssen. Wir merken anscheinend nicht, dass wir momentan dabei sind den mühsam aufgebauten Frieden in Europa zu zerstören.

Wenn wir dem entgegensteuern wollen, müssen wir unser gesamtes Wirtschaftssystem auf den Prüfstand stellen. Hierbei müssen wir viele alte Lehrsätze über Bord werfen, wie den über die Kopplung von Wachstum und Beschäftigung. Ein Beispiel: Wenn 100 Arbeiter, die mit herkömmlicher Produktion am Tag 1.000 Tonnen Gummibärchen herstellen, durch einen Automaten ersetzt werden, klappt es sicher nicht, dass man jetzt die Tagesproduktion auf 100.000 Tonnen erhöht, nur um alle Arbeiter weiter zu beschäftigen. Dann erzeugt man nämlich eine Überproduktion, die die Preise sinken lässt und trotzdem nicht mehr absetzbar ist. Die einzig sinnvolle Lösung ist eine Verkürzung der individuellen Arbeitszeit. Dazu müssen wir Deutschen sicher unsere Mentalität ändern und das fällt uns verdammt schwer. Vielleicht sollten wir auf einem Mann hören, der nach dem Krieg für Wohlstand und Vollbeschäftigung sorgte, aber damals schon viel weiter dachte:

„Mit steigender Produktivität und mit der höheren Effizienz der menschlichen Arbeit werden wir einmal in eine Phase der Entwicklung kommen, in der wir uns fragen müssen, was denn eigentlich kostbarer oder wertvoller ist: noch mehr zu arbeiten oder ein bequemeres, schöneres und freieres Leben zu führen, dabei vielleicht bewusst auf manchen güterwirtschaftlichen Genuss verzichten zu wollen.“ (Ludwig Erhard 1957) Wer wollte dem Vater der sozialen Marktwirtschaft hier widersprechen?

Ihr Norbert Schnellen

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