Auch bei den Ehrengästen hieß es „DO BISTE PLATT“

Brilon-Totallokal: Sauerländer und Waldecker feierten gemeinsames Jubiläum…

brilon-totallokal:  „DO BISTE PLATT“ hieß es bei den zahlreichen Gästen aus dem Sauerland und Waldecker Land… Gleich drei Ju­bi­lä­en in ei­nem. NRWs ein­zi­ge platt­deut­sche Ra­di­o­sen­dung fei­erte nicht nur sei­nen 15. Ge­burts­tag, sondern einzelne plattdeutsche Beiträge werden schon seit 25 Jahren im Lokalsender des Sauerlandes ausgestrahlt. Und: Mittlerweile sind so 500 Sen­dungen zu Stande gekommen. Moderator Markus Hie­ge­mann aus Schar­fen­berg ist Chef­re­dak­teur der „Hoch­sau­er­land­wel­le“, die den platt­deut­schen Bürgerfunk mon­tag­s abends ab 20 Uhr auf Ra­dio Sau­er­land sen­det. Er begrüßte zur Feierstunde zahl­rei­che Spre­cher, Freun­de und Eh­ren­g­äs­te aus dem Sau­er­land und dem Waldecker Land, um ge­mein­sam im Land­gast­hof Schnier in Schar­fen­berg das Jubiläum zu fei­ern. Die vie­len Freun­de der platt­deut­schen Spra­che aus nah und fern – aus Marsberg, Brilon, Olsberg, Warstein, Diemelstadt, Diemelsee, Bad Arolsen, Willingen, Eslohe, Meschede und Sundern – er­freu­ten sich ne­ben ge­mein­sa­mem platt­deut­schem Ge­sang an sechs „DO BISTE PLATT-Rück­bli­cken“, an­ge­fan­gen mit dem Sen­de­start in „Heimatsproke“ am 06.05.2002. Mit Jo­han­na Bal­ken­hol und Karl-Heinz Schre­cken­berg aus Brilon entstand die ers­te Sen­dung, die mit ei­nem wach­sen­den Ein­zugs­ge­biet und Sprechern fort­an stän­dig wuchs und heu­te bis nach Nord-Wald­eck (Nord­hes­sen) reicht.

„Die­ses Netzwerk er­mög­licht ein Fo­rum zur Mund­art­pfle­ge“, so Dr. Mi­cha­el Schult, stellv. Land­rat des HSK. „Dem Sau­er­län­der Hei­mat­bund und den Ar­beits­krei­sen ge­lingt es er­folg­reich, ein ak­ti­ves Ele­ment le­ben­di­ger Kul­tur auf­recht zu er­hal­ten.“ Schult ­lob­te das gro­ße En­ga­ge­ment in der Re­gi­on mit dem ge­mein­sa­men Ziel, dass das Platt­deut­sche mehr und mehr eine Alltagskultur und ein Bei­trag zur Stär­kung un­se­rer Re­gi­on wird. Denn es feh­le heu­te im Sauerland und im befreundeten Waldecker Land weit­ge­hend die Ver­mitt­ler­schicht für ein lebendiges Platt. Die plattdeutsche Sprache am Leben zu halten ist auch Bar­ba­ra Mey­er-Ramme aus Mars­berg ein An­lie­gen. In ei­nem Ar­beits­kreis brach­te sie an der katholischen Grundschule in Marsberg be­geis­ter­ten Dritt- und Vier­tkläss­lern die alte Mundart bei. Ei­ni­ge ihrer damaligen Schüler be­nut­zen die Spra­che nun als Ge­heim­spra­che gegenüber Mitschülern. „Das brach­te Le­ben in die Bude“, schmun­zelte sie.

Die ge­bür­ti­ge Meer­ho­fe­rin hat­te And­re­as Karl Bött­cher, den Vor­sit­zen­den der „Mars­ber­ger Ge­schich­ten – Schlüssel zur Vergangenheit e. V.“ im platt­deut­schen Fri­seur­sa­lon Wie­pen in Meer­hof ge­trof­fen. „So kam eins zum Anderen“, schil­dert die Leh­re­rin, die im kom­men­den Schul­jahr in Gier­sha­gen vielleicht eine neue Ar­beits­grup­pe grün­den wird. Den vol­len Klang und die ge­sun­de Def­tig­keit, aber auch die ech­te Herz­lich­keit der  platt­deut­schen „Ur­spra­che“, auf die un­ser Hoch­deutsch auf­baut, brachten An­ne­ma­rie Hil­le­brand und Karl-Heinz Schre­cken­berg in ih­rem Bei­trag „De Laibesbreif“ (der Lie­bes­brief) zum Aus­druck. Sie ern­te­ten eben­so wie Hie­ge­mann und Heinz-Jo­sef Fi­scher „im dai­pen Kel­ler“ und Horst Mül­ler mit sei­nem rhei­ni­schen Hu­mor in Westfalen (auf Kölsch) vom Pub­li­kum ei­nen Rie­sen­bei­fall. Doch auch erns­te The­men stan­den auf der Ta­ges­ord­nung. Denn Platt­deutsch ist schließ­lich kei­ne „Witz­chen­spra­che“, schil­der­te Hie­ge­mann. 

So ge­hört das „Platt“ auch noch zur Tra­di­ti­on, wenn es um Hoch­zei­ten geht. „Wir ha­ben ges­tern in As­sing­hau­sen noch auf Platt ge­sun­gen“, schil­der­te der hei­mi­sche Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Dirk Wie­se. Wie man das Platt­deut­sche noch ein we­nig för­dern kön­ne, frag­te Hie­ge­mann die Po­li­ti­ker. „In­dem man den Ehrenbürgermeister Franz Schre­we ein­lädt“, ist Wie­se über­zeugt. MdB und Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg reg­te an, Ton­do­ku­men­te an­zu­hö­ren und an die Schu­len zu ge­hen. Er könne sich auch eine finanzielle Unterstützung aus Landesmitteln vorstellen.

Karl Hei­ne­mann aus Diemelstadt-Rhoden ist Mundart-Ex­per­te und Lei­ter des platt­deut­schen Ar­beits­krei­ses im Waldeckischen Geschichtsverein – Bezirksgruppe Die­mels­tadt:

Wie ver­su­chen Sie in Ih­rem Ar­beits­kreis das Wis­sen wei­ter zu ver­mit­teln?

Wir ver­an­stal­ten min­des­tens zwei Mal im Jahr ei­nen platt­deut­schen Abend für Jung und Alt. Der kommt sehr gut an. Die platt­deut­sche Spra­che an Schu­len un­ter­zu­brin­gen er­wies sich allerdings bei uns etwas schwieriger. Wenn in ei­nem Ort nicht noch min­des­tens 30 % der Bevölkerung Platt spricht, ist die ört­li­che Mund­art auf Dau­er nicht zu er­hal­ten, so die Aus­sa­ge von Fach­leu­ten der UNI Mar­burg.

Gibt es ei­nen Du­den, der ei­nem hel­fen kann, die platt­deut­sche Spra­che zu er­ler­nen?

Es gibt kei­nen Du­den für Platt­deutsch. In je­dem Dorf bes­te­hen auch gro­ße sprachliche Unterschiede sowohl im Wort­schatz als auch in der Be­to­nung. Ich bin da­bei, ent­spre­chend den Emp­feh­lun­gen von Prof. Dr. Hein­rich Ding­eld­ein (Uni Mar­burg) eine platt­deut­sche Daten­bank an­zu­le­gen. Da­bei geht es mir da­rum, mög­lichst viel von un­se­rem ört­li­chen Platt in Schrift und Ton mit Hil­fe des Com­pu­ters zu do­ku­men­tie­ren. Sprach­pro­ben und die sogenannten Stan­dard­sät­ze (Wen­ker­sät­ze) wer­den in der UNI Mar­burg für die Sprachforschung auf­be­wahrt. Das glei­che kann man mit ei­ner Da­ten­bank ma­chen, um Vergleiche der ein­zel­nen ört­li­chen  Be­son­der­hei­ten zu er­for­schen. Ein­zel­ne Wörter ohne Anwendungsbeispiele zu no­tie­ren (Komma weg) bringt nicht viel. So habe ich zum Bei­spiel u. a. über 600 Da­ten­sät­ze, die eine Re­dens­art und alte Volks­weis­hei­ten be­in­hal­ten, gesammelt. Bei­spie­l: „An djem­me is auk´n Afkôôr­te ver­lo­ren´e gôôn.“ Auf Hochdeutsch: An dem ist auch ein Ad­vo­kat ver­lo­ren ge­gan­gen. (Re­dens­art, wenn ei­ner nicht nach sei­nen geistigen Fä­hig­kei­ten aus­ge­bil­det wor­den war.)

Sie über­set­zen das Hoch­deut­sche ins Platt­deutsche. Was ist be­son­ders schwie­rig?

Weil es im Platt für männ­li­che und weib­li­che Ge­gen­stän­de/Wör­ter nur ei­nen Ar­ti­kel = „de“ gibt, ist das nicht wei­ter schwie­rig. Die Ar­ti­kel im Sin­gu­lar und Plu­ral sind es auch eher nicht. Das Schwierigste sind die Ver­ben und da­bei die Bil­dung der ein­fa­chen und voll­en­de­ten Vergangenheit. Bei al­len Wort­ar­ten ver­su­che ich zu je­dem ge­spei­cher­ten Wort ein oder, wenn erforderlich, meh­re­re Bei­spiel­sät­ze zu schrei­ben und gleich­zei­tig zu ver­tonen.

Info:

Die einstündige Radiosendung „DO BISTE PLATT“ läuft jeden Montag um 20 Uhr auf Radio Sauerland. Sie ist in Marsberg und Umgebung über die UKW-Antennen-Frequenzen 94,8, 96,2 oder 106,5 MhZ (guter Empfang im Waldecker Land) bzw. über die Kabel-Frequenz 107,4 MhZ zu hören. Alternativ und weltweit kann sie über das Webradio von www.Radio-Sauerland.de mitverfolgt werden. Weitere Sendungen und Ankündigungen finden Sie immer im Radio- und Veranstaltungskalender unter: www.Marsberger-Geschichte.de

Bild:   Der Festakt zum Jubiläum: 15 Jahre DO BISTE PLATT – 500 Plattdeutsche Sendungen der Hochsauerlandwelle im Bürgerfunk von Radio Sauerland im Landgasthof Schnier in Brilon-Scharfenberg. – V. l. n. r. Reinhard Mester (stv. Bürgermeister von Eslohe), Ursula Mathweis (Sauerländer Heimatbund), Dr. Christof Bartsch (Bürgermeister von Brilon), Andreas Karl Böttcher (Marsberger Geschichten – Schlüssel zur Vergangenheit e. V.), Dr. Michael Schult (stv. Landrat des Hochsauerlandkreises), Johannes Wüllner (stv. Bürgermeister von Marsberg), Markus Hiegemann (Moderator der Hochsauerlandwelle), Winfried Dickel (Briloner Heimatbund – Semper Idem e. V.), Dirk Wiese (Mitglied des Bundestages) Walter Bracht (Waldeckischer Geschichtsverein – Bezirksgruppe Diemelstadt) und Ferdi Lenze (stv. Landrat des Hochsauerlandkreises, Vorsitzender der Veranstaltergemeinschaft von Radio Sauerland).

Foto: Marsberger Geschichten – Schlüssel zur Vergangenheit e.V.

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