Stichwort der Woche … von Norbert Schnellen…
brilon-totallokal: Was bringt erwachsene Menschen in unserer modernen Zeit dazu mit über 30 Jahre alten Fahrzeugen durch die Gegend zu fahren? Was bewegt Menschen, die mit Landwirtschaft nichts am Hut haben, dazu sich eine „landwirtschaftliche Zugmaschine“ aus der Nachkriegszeit zuzulegen? Es ist eine Art Virus, der immer breitere Bevölkerungsschichten erfasst. Wenn wir heute Auto fahren, begeben wir uns in die Obhut einer elektronisch gesteuerten Hightech-Maschine, deren Funktionsweise wir in der Regel selber nicht mehr nachvollziehen können.
Im Trend zum autonomen Fahren haben wir nicht mehr die Kontrolle über die Maschine, sondern die Maschine hat die Kontrolle über uns. Wir fahren damit viel sicherer als es vor Jahren noch der Fall war und die Pannenanfälligkeit der Fahrzeuge hat sicher stark abgenommen. Wenn eine Kontrollleuchte aufleuchtet suchen wir sofort die Werkstatt auf, wo unser Fahrzeug dann mit einem Computer „ausgelesen“ wird. Daraufhin wird ein Bauteil ausgewechselt und die Karre läuft wieder. Wenn das Fahrzeug aber mal auf der Strecke liegen bleibt, müssen wir sofort den Abschleppdienst anrufen, selber improvisieren geht nicht mehr.
Früher mussten Autofahrer improvisieren können. Der Nylonstrumpf der Beifahrerin als Keilriemenersatz, der mit einer Konservendose geflickte Auspuff, Gewebematten mit Kunstharzspachtel zum Schließen größerer Rostlöcher vor der TÜV-Abnahme, der Erfindungsreichtum früherer Kraftfahrzeugbesitzer war schier grenzenlos. Es gab sogar Zeitgenossen, die durchgerostete Einstiegsschweller mit Beton ausgossen, eine frühe Form der Tieferlegung. Sicher möchte keiner mehr dahin zurück, aber viele möchten heute wieder ein Kraftfahrzeug besitzen, das sie technisch auch verstehen können. Das ist natürlich gerade im Bereich der alten Landtechnik fast mühelos möglich. Im Gegensatz zur automobilen Massenware wurden Trecker früher „für die Ewigkeit“ gebaut. Daher sind auch noch viele fahrtüchtige Exemplare zu bekommen, die preislich auch noch für kleinere Geldbörsen erschwinglich sind. Die Restaurierung solcher alter Schätzchen ist zwar mühselig und oft schweißtreibend, der Erfolg macht jedoch glücklich. Gerade für jüngere Menschen bietet die alte Technik einen besonderen Reiz.
Es ist schon ein tolles Gefühl ein Fahrzeug aus den 50er Jahren, welches vielleicht schon 20 Jahre nicht mehr gelaufen hat, wieder zum Leben zu erwecken. Oldtimertreffen sind dann die beste Gelegenheit, die mehr oder weniger wertvollen, restaurierten oder im Originalzustand belassenen Veteranen einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Oldtimertreffen und Oldtimerclubs bieten zudem eine Plattform für Treffen mit Gleichgesinnten, zum Erfahrungsaustausch und zu langen Benzin- und Dieselgesprächen mit netten Leuten. Der Trend zum Oldtimer ist mehr als Nostalgie, er ist gelebte Technikgeschichte und bietet ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer, welches uns modernen Menschen teilweise verloren gegangen ist.
Ihr Norbert Schnellen