Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche von, Norbert Schnellen…
brilon-totallokal: Ist es nicht ein herrliches Gefühl wieder deutsche Panzer rollen zu sehen? Ja gut, die Panzerbesatzung stammt aus der Türkei, aber trotzdem: „Ob’s stürmt oder schneit, ob die Sonne uns lacht, der Tag glühend heiß, oder eiskalt die Nacht. Verstaubt sind die Gesichter, doch froh ist unser Sinn, es braust unser Panzer im Sturmwind dahin.“ Das „Panzerlied“ der deutschen Wehrmacht wurde erst im letzten Jahr aus den Liederbüchern der Bundeswehr entfernt. Die Truppe möchte sich jetzt aus der Tradition der Wehrmacht lösen.
Nach dem verheerenden 1. Weltkrieg vor 100 Jahren gab es schon ein paar kluge Köpfe, die es wagten „Nie wieder Krieg“ zu rufen. Nach dem noch viel verheerenderen 2. Weltkrieg hatte vermutlich eine deutliche Mehrheit in diesem Land von Krieg und Militär „die Schnauze voll“. So stieß auch die Wiederbewaffnung Deutschlands teilweise auf heftigen Widerstand. Es kamen die 68er, die Friedensbewegung und die Aussetzung der Wehrpflicht. Eigentlich ist Deutschland jetzt ein sehr friedliches Land, zumal ja auch der Zustand der Ausrüstung bei der Bundeswehr (Hubschrauberpiloten üben inzwischen beim ADAC), einen eher pazifistischen Eindruck macht.
Wenn trotzdem weltweit deutsche Waffen im Einsatz sind, ist das das Verdienst einer unermüdlichen Rüstungslobby und einer Politik, die sich, wie geschmiert, für Ausnahmeregelungen zum Export deutscher Rüstungsgüter in Krisenregionen einsetzt. Deutschland gehört zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Obwohl sich über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen Rüstungsexporte aussprechen, wurden in der Regierungszeit der letzten Großen Koalition alle bisherigen Rekorde noch einmal getoppt. Es ist zu befürchten, dass es auch unter der nächsten Regierung so weitergeht. Deutsche Panzer rollen beim völkerrechtswidrigen Vorgehen der Türkei gegen die Kurden in Syrien und die angegriffenen Kurden wehren sich mit deutschen Panzerabwehrraketen. Deutsche Bomben helfen bei der Auslöschung der Zivilbevölkerung im Jemen und deutsche Gewehre, Maschinengewehre und Minen sind in allen Krisenherden im Nahen Osten und in Afrika im Einsatz. Jährlich sterben eine halbe Millionen Menschen durch Kriege.
Wie viele davon auf die Kappe der deutschen Rüstungsindustrie gehen kann man nur schätzen. Wer das „Erbe des dritten Reichs“ nur auf Wehrmachtslieder und ein paar rechtsradikale Schreihälse beschränkt, macht es sich zu einfach. „Gebildete Menschen“ in unserem Wirtschaftssystem, die millionenfachen Tod nur für steigende Aktienkurse in Kauf nehmen, sind sicherlich schlimmere Nazis als Holzköpfe mit Baseballschlägern. Der Ruf „Nie wieder Krieg“ gilt nicht nur für deutsche Soldaten, sondern vor allen Dingen für deutsche Waffen.
Ein sofortiger Stopp aller Rüstungsexporte wäre daher sicher das Gebot der Stunde. Wetten, dass dieses Thema trotzdem kein Gegenstand der Koalitionsverhandlungen sein wird?
Ihr Norbert Schnellen