Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…
brilon-totallokal: Es war niemand Geringeres als Kristin Rose-Möhring, die Gleichstellungsbeauftragte der Bundesregierung, die uns in der vergangenen Woche wieder einmal schmerzhaft daran erinnerte, wie unzeitgemäß doch der Text unserer Nationalhymne ist. Wie konnte der Dichter Hoffmann von Fallersleben, als er im Jahr 1841 den Text zum „Lied der Deutschen“ verfasste, nur außer Acht lassen, dass er im Jahr 2018 damit völlig durch alle Raster der Genderneutralität fallen würde. Begriffe, wie „Vaterland“ und „brüderlich“ gehören heute zum Vokabular weißer alter Männer aus dem rechten politischen Spektrum. (Dass bei Parteitagen der Sozialdemokraten/innen immer noch „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ gesungen wird, tut hier nichts zur Sache, sicher wurde das bisher übersehen und steht dann als nächstes auf der „Agender“ von Frau Rose-Möhring, die ja auch SPD-Mitglied/in ist).
Vielleicht sollten wir uns komplett vom Text aus der Feder Hoffmann von Fallersleben verabschieden. Schon bei der Gründung des deutschen Kaiserreiches wurde das Lied der Deutschen nicht zur Nationalhymne erkoren, weil es den Monarchisten zu republikanisch war. Stattdessen wählte man „Heil dir im Siegerkranz“ zur Melodie der heutigen englischen Nationalhymne. Erst in der Weimarer Republik, unter dem Sozialdemokraten Friedrich Ebert, wurde das Lied der Deutschen mit allen drei Strophen zur deutschen Nationalhymne. Im „dritten Reich“ wurde dann nur noch die, missverständlich interpretierte erste Strophe, zusammen mit dem „Horst-Wessel-Lied“ gesungen.
Für die junge Bundesrepublik war die erste Strophe damit aus dem Rennen und man machte die, jetzt kritisierte, dritte Strophe zur Hymne. Die zweite Strophe „Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang“ kommt heute, wegen eines falschen Frauenbildes und der Verherrlichung des Alkoholkonsums, wohl kaum noch in Frage. Auch die Melodie sollten wir auf den Prüfstand stellen. Sie wurde von Joseph Haydn als Melodie zur österreichischen Kaiserhymne, mit dem Text „Gott erhalte Franz den Kaiser“, geschrieben, eindeutig eine Verherrlichung des Personenkults mit einseitiger religiöser Ausrichtung.
Was machen wir jetzt? Die alte DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ fällt aus, weil sie noch viel mehr „Vaterland“ und „brüderlich“ enthält als die jetzige. Also eine komplett neue Melodie mit einem komplett neuen Text? Wer kann eine Hymne schreiben, die eingängig ins Ohr geht und auch noch bei zwei Promille mitgegrölt werden kann?
Man sollte mal bei den Toten Hosen (An Tagen wie diesen, wünscht man sich ein bisschen Hirn), Helene Fischer (Atemlos durch das `Schland) oder DJ Ötzi (Ein Land, das keinen Namen trägt) nachfragen. In Punkto Nationalhymne ist unsere Politik also keinesfalls alternativlos.
Ihr Norbert Schnellen