50 Jahre Behindertenhilfe beim Caritasverband Brilon

Brilon-Totallokal: „Was für den einzelnen Menschen das Richtige ist“

brilon-totallokal: Menschen, Werke und Strukturen: Seit einem halben Jahrhundert setzt sich der Caritasverband Brilon für Menschen mit Behinderung ein. 50 Jahre Caritas-Behindertenhilfe wurden am Montagvormittag am Briloner Standort IDL 1 der Werkstätten St. Martin mit rund 200 Gratulanten und Gästen gefeiert. Gemeinsam wurde auf die Kernthemen geguckt: auf Bildung, Arbeiten und Wohnen sowie auf deren soziale wie politische Entwicklung. Teilhabe am Leben heißt heute die Förderung, neben Selbstbestimmung und das Recht auf Wahlmöglichkeiten. „Und dafür braucht es Glück, Fingerspitzengefühl und viel Einfühlungsvermögen, um zu erfahren, was für den einzelnen Menschen das Richtige ist“, sagte Festredner Karl-Josef Laumann, NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Der Caritasverband Brilon ist 22 Jahre alt, als 1968 mit der Eröffnung der „Tagesstätte für Kinder mit einer geistigen Behinderung“ in Esshoff der Grundstein für die Behindertenhilfe gelegt wird. Die Tagesstätte im kleinsten Ortsteil von Brilon wird schnell zu eng. Im gleichen Jahr folgt der Umzug in die Rixener Schule. Vier Jahre später arbeiten zwölf Menschen mit Behinderung erst im „Haus Schafmeister“, dann in der damals zur sogenannten „Werkstatt für Behinderte“ umfunktionierten Schützenhalle in Rösenbeck. Mit den pragmatischen Raumnutzungskonzepten der Gründerzeit geht die schnelle Professionalisierung zunächst der Arbeits-, dann der Bildungs-, schließlich der Wohnangebote einher.  Wolfgang Beckmann war damals Leiter der Werkstätten. 1971 wird der „Sonderkindgarten“ für 28 Kinder eingerichtet und 1980 die Kinderfrühförderung eröffnet.

1981 wird das Dechant-Ernst-Haus als erstes Wohnhaus für Menschen mit Behinderung bezogen, und zwar mitten im Herzen der Stadt Brilon. Weitere Wohnhäuser und Werkstätten folgen, ebenso wurden ganz neue Dienste im Zuge politischer Paradigmenwechsel entwickelt, zu denen das Ambulant Betreute Wohnen gehört und hochaktuell seit Juli auch die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung, kurz EUTB. 50 Jahre Caritas-Behindertenhilfe: „50 Jahre Dienst am Nächsten, der die Stadt verändert und geprägt hat“, sagte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch: „Heute ist es ein gewöhnliches Miteinander, etwas Selbstverständliches. Wir feiern mit der Caritas Schützenfest und Karneval.“

Dieses selbstverständlichere Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ist in fünf Dekaden gewachsen. Unter den Gästen begrüßte Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund auch zwei Wegbereiter: „Geschichtsgestalter“, sagte er mit Blick auf die beiden ehemaligen Caritasverband-Spitzen Josef Hesse und Ulrich Keuthen. Auf ihre Fundamente wird weiter gebaut. Das Motto dabei: „Wir bieten den Menschen keinen Heimplatz, sondern wir bieten den Menschen Heimat“, sagte Vorstand Eirund. Darin wird investiert. Allein zwischen 2003 und 2018 hat die Caritas Brilon rund 35 Millionen Euro in Baumaßnahmen in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Bildung eingebracht. Zu den Projekten gehören u. a. Werkstatterweiterungen mit Ausbau der Schwerstmehrfachbehindertenplätze und neuen Maschinen wie der Pulverbeschichtungsanlage, neu gebaute und grundmodernisierte Wohnhäuser sowie Investitionen in Konzepte und Personalentwicklung. Von den aktuell 1.100 hauptamtlichen Mitarbeitenden der Caritas Brilon arbeiten 300 in Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Neben die Sicht auf die eigene Entwicklung richtete Vorstand Eirund auch den Fokus auf das gesamtgesellschaftliche Gefüge – inklusive Politik und Wirtschaft. „Die Caritas Brilon ist ein verlässlicher und berechenbarer Partner für Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, für die Verwaltung und Kostenträger“, betonte Eirund. „Zugleich sind wir ein kritischer Partner bei der Entwicklung neuer Gesetze und Rahmenbedingungen.“ Die aktuellste Paragrafennovelle ist das Bundesteilhabegesetz. „Sicherlich ist es auch eine Herausforderung“, sagte Sozialminister Karl-Josef Laumann: „Die Menschen sollen ihre Potenziale entfalten, verbunden mit einem Wunsch- und Wahlrecht. Welche Freiräume und Eigenverantwortung können dabei im Rahmen verlässlicher Strukturen geschaffen werden? Das muss austariert werden.“ Inklusion als Kann-Option ließ Laumann nicht gelten. „Wir müssen Menschen in bezahlte Arbeit bringen“, sagte Laumann in seiner Funktion als Arbeitsminister. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bieten die Werkstätten St. Martin aktuell 670 Menschen mit Behinderung. Zugleich sind die Werkstätten Dienstleister für Industrie und Wirtschaft auf Augenhöhe. Das letzte Wort erhielt die Sprecherin des Bewohnerbeirates, Huberta Große, mit einer Aussage auf Augenhöhe zum Ausklang: „Das wir mit unseren Wünschen gehört werden.“

Info

  • Die detaillierte Geschichte des Caritasverbandes Brilon gibt es unter www. caritas-brilon.de
  • Die Einrichtungen & Dienste der Caritas Behindertenhilfe im Überblick:

Frühförderung & Motopädie

Kombinierter Kindergarten St. Andreas

Stationäres Wohnen für Menschen mit Behinderung mit 176 Plätzen

–          Dechant-Ernst-Haus

–          Wohnhäuser St. Hildegard

–          St. Nikolaushaus

–          St. Elisabethhaus

–          Seniorengruppen in den Wohnhäusern

–          Therapeutisches Wohnen für Menschen mit Suchterkrankungen im „Haus Nordhang“ Winterberg

Ambulant Betreutes Wohnen mit rund 110 Klienten

Wohnen in Gastfamilien

Ehrenamt in der Behindertenhilfe

  • Die Werkstätten St. Martin:

Es gibt insgesamt sechs Werkstatt-Standorte: Vier in Brilon und jeweils eine Werkstatt in Marsberg und Winterberg mit Plätzen für rund 680 Menschen mit Behinderung, die dort Teilhabe am Arbeitsleben sowie Bildung und Rehabilitation erfahren.

Leistungsspektrum der St. Martin Werkstätten

Montage- und Kommissionierarbeiten • Komplexe Produktrealisierungen und Logistikleistungen • Maschinelle Holz- und Metallverarbeitung • Industrienäherei

Landschaftspflege • Friedhofsgärtnerei • Pulverbeschichtung • Tampondruck • Schlauchfertigung • Elektromontage

Foto von links: Christel Fiege (Diözesancaritasverband Paderborn – Fachbereich Behindertenhilfe), Thomas Schneider (Fachbereichsleiter Behindertenhilfe), Beiräte Stefan Gabriel, Huberta Große und Patrick Brüne, Dr. Christof Bartsch (Bürgermeister Brilon), Heinz-Georg Eirund (Vorstand Caritasverband Brilon), Engelbert Kraft (Fachbereichsleiter Arbeit für Menschen mit Behinderung), NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann, Matthias Kerkhoff (Landtagsabgeordneter), Heinz Hillebrand (Vorsitzender Caritasrat) und Klaus Hülsenbeck (Bürgermeister Marsberg).

 

Fotos: Caritas Brilon / Sandra Wamers

Quelle: Sandra Wamers, Caritasverband Brilon e.V.

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