Brilon-Totallokal: Wissenswertes nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
brilon-totallokal: Dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 lagen zwei Verfassungsbeschwerden von psychiatrischen Patienten aus Bayern und Baden-Württemberg zugrunde, die eine 5-Punkt- bzw. 7-Punkt-Fixierung über mehrere Stunden über sich ergehen lassen mussten. Die Richter betonten, dass die Fixierung von Patienten einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person darstelle. Aus diesem Grundrecht sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben sich strenge Anforderungen, damit eine Fixierung gerechtfertigt sei.
Fixierung besonders starker Eingriff in Bewegungsfreiheit Wird ein Patient in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen, muss schon derzeit ein richterlicher Unterbringungsbeschluss eingeholt werden.
Nach dem Richterspruch ist künftig ein erneuter Beschluss für eine längere (länger als eine halbe Stunde) Fixierung notwendig. Denn die Fesselung ans Bett nehme dem Betroffenen die ihm bei der Unterbringung auf einer geschlossenen psychiatrischen Station noch verbliebene Freiheit, sich innerhalb dieser Station – oder zumindest innerhalb des Krankenzimmers – zu bewegen, so das Gericht. Diese Form der Fixierung sei darauf angelegt, den Betroffenen auf seinem Krankenbett vollständig bewegungsunfähig zu halten. Die besondere Intensität des Eingriffs bei einer solchen Fixierung an beiden Armen, beiden Beinen sowie um den Bauch (5-Punkt-Fixierung) bzw. zusätzlich an Brust und Stirn (7-Punkt-Fixierung) folge zudem daraus, dass ein gezielt vorgenommener Eingriff in die Bewegungsfreiheit als umso bedrohlicher erlebt werde, je mehr der Betroffene sich dem Geschehen hilflos und ohnmächtig ausgeliefert sehe.
Die Frage, ob tatsächlich durch die Fixierung ein Eingriff in die persönliche Freiheit vorliege, hänge ausschließlich vom tatsächlichen, natürlichen Willen des Patienten ab. Es kommt also beispielsweise nicht auf die rechtliche Bewertung des Willens an, sodass auch psychisch Kranke oder nicht voll Geschäftsfähige unter den Schutz der Verfassung fallen – auch sie haben einen Willen und können diesen äußern. Grundsätzlich muss die Fixierung zuvor von einem Richter angeordnet werden. Es wird nicht immer möglich sein, solange zu warten, wenn der Patient akut sich selbst oder andere gefährdet. In solchen Fällen ist eine nachträgliche richterliche Entscheidung zulässig – allerdings nur dann, wenn der mit der Fixierung verfolgte zulässige Zweck des Eigen- oder Fremdschutzes sonst nicht erreichbar wäre.
Richterlicher Bereitschaftsdienst von 6.00 bis 21 Uhr Um den Schutz des Patienten sicherzustellen, fordert das Bundesverfassungsgericht einen täglichen richterlichen Bereitschaftsdienst von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Wird nachts eine Fixierung ohne vorherige richterliche Entscheidung angeordnet, muss diese unverzüglich am nächsten Morgen nachgeholt werden. Nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber nun klare Regeln schaffen, aus denen hervorgeht, dass eine Fixierung nur als ultima ratio angewandt werden darf. Reicht beispielsweise eine 1:1-Betreuung aus, um den Patienten und andere zu schützen, ist eine Fixierung nicht mehr erlaubt.
Was muss bei einer Fixierung zukünftig beachtet werden?
1. Eine richterliche Genehmigung muss vorher eingeholt werden.
2. Nur ein Arzt darf eine Fixierung anordnen, zudem muss er die angeordnete Maßnahme überwachen.
3. Der fixierte Patient muss 1:1 betreut werden durch therapeutisches oder pflegerisches Personal.
4. Dokumentiert werden müssen die maßgeblichen Gründe für die Fixierung, ihre Durchsetzung, die Dauer sowie die Art der Überwachung.
5. Der Patient muss nach Ende der Fixierung informiert werden, dass er gerichtlich überprüfen lassen kann, ob die Fixierung rechtmäßig war.
Wer als Patient zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen wird, darf künftig nur kurz fixiert werden. Dauert die Fesselung ans Bett eine halbe Stunde oder länger, muss ein Richter sie genehmigen. Dieser bisher nur in Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vorgesehene sog. Richtervorbehalt wird somit auf alle Bundesländer ausgeweitet – das Gericht setzte hierfür eine Frist bis zum 30. Juni 2019. Keywords: Recht, Patientenversorgung
Quelle: Stefanie Löbermann, Fachanwältin für Versicherungsrecht / KU Gesundheitsmanagement 9/2018, S. 73
Bild: Ulrich Trommer