Stichwort der Woche: Scheinheilige Reaktionen

Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

brilon-totallokal: In den vergangenen Wochen steht unser Verhältnis zu Saudi-Arabien stark im Fokus aller Medien. Der Mord an einem saudischen Journalisten führt allgemein zur Forderung nach Überprüfung unserer Handelsbeziehungen zu dem islamistischen Königreich, besonders im Hinblick auf die Rüstungsexporte. Sicher ist der Mord an Jamal Khashoggi ein fürchterliches Verbrechen und zeigt uns wie weit das saudische Herrscherhaus von den Rechtsvorstellungen der zivilisierten Welt entfernt ist, aber ist der Tod eines einzelnen Menschen auf einmal so viel schlimmer als der Tod von vielen Tausend Zivilisten im Jemen, die schon seit Jahren auf die Kappe der Führung in Riad gehen?

Noch im September genehmigte das Bundeswirtschaftsministerium umfangreiche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, obwohl der Koalitionsvertrag  solche Lieferungen an die Regierungen, die unmittelbar am Krieg in Jemen beteiligt sind, verbietet. Neben dem Schutz der deutschen Wirtschaft werden diese Ausnahmeregelungen damit begründet, dass Saudi-Arabien „ein starker Verbündeter im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sei“. Eine zynischere Begründung hätte sich das Ministerium von Herr Altmaier sicher nicht einfallen lassen können.

Nicht erst seit dem brutalen Mord an Jamal Khashoggi sollte jedem politisch interessierten Menschen klar sein, dass in Saudi-Arabien genau das praktiziert wird, wofür auch der sogenannte „Islamische Staat“ kämpft: Ein „Gottesstaat“ mit einem mittelalterlichen Rechtssystem, welches in keiner Weise mit unseren Werten vereinbar ist, wo Frauen keine Rechte haben und ein nicht demokratisch legitimiertes Herrscherhaus eine reine Willkürherrschaft ausübt. Der einzige Unterschied der Herrscherclique in Riad zum IS ist das Geld. Die Saudis haben ihre Petro-Dollars mit großer Schläue (und skrupellosen Finanzberatern aus dem Westen) bei vielen wichtigen Konzernen in den westlichen Industrienationen angelegt.

Sie sind finanziell mit den Mächtigen der Welt sehr intim, zum Beispiel mit der ehemaligen amerikanischen Präsidentenfamilie Bush und auch Donald Trump haben sie mal in einer Notsituation unter die Arme gegriffen. In den Vorstandsetagen vieler deutscher Konzerne sind die Herren mit den weißen Umhängen gern gesehene Gäste. Da Geld nun mal nicht stinkt, setzt man sich in den oberen Etagen der Wirtschaft und in der Politik auch gern mal mit Mördern und Halsabschneidern an einen Tisch. Glaubt wirklich jemand, dass sich das ändern wird, wenn die mediale Empörung um den Mord in Istanbul in den Medien wieder abgeklungen ist?

Ihr Norbert Schnellen

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