Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen
brilon-totallokal: Irgendwie hat man in diesem Jahr das Gefühl, dass es nur noch zwei Jahreszeiten gibt. Im April wechselten wir vom Wintermodus direkt in den Hochsommer und im November ging der Sommer dann direkt in den Winter über. Frühjahr und Herbst gaben in 2018 nur eine sehr kurze Gastvorstellung. Die Dürre aus dem Frühjahr und Sommer scheint sich bis zum Jahresende fortzusetzen. Flüsse, Bäche und Seen führen auch jetzt kaum Wasser und man muss sich langsam Gedanken machen, ob die natürlichen Wasserreservoire im kommenden Jahr noch unseren Verbrauch decken können.
Wenn das mit der Trockenheit so weitergeht, werden wir zum Weihnachtsfest 2019 wohl weitgehend auf das traditionelle Tannengrün verzichten müssen. Der Zustand unserer Wälder ist nämlich schon jetzt besorgniserregend. Durch den Trockenstress sind die Bäume stark anfällig für Schädlinge und der Bestand von Borkenkäfern hat sich in einem nie gekannten Maß erhöht. Die zu erwartenden Stürme werden in den kranken Wäldern vermutlich zusätzlich für verheerende Schäden sorgen. Ein kalter und trockener Winter bietet den Larven der Borkenkäfer zudem beste Überlebenschancen.
Nur nasskaltes „Schmuddelwetter“ könnte die Käferbrut bekämpfen, da sie dann Pilzkrankheiten zum Opfer fällt. Falls die riesige Population der Larven des „Buchdruckers“ und „Kupferstechers“, so heißen die beiden Borkenkäferarten die der Fichte gefährlich werden, den Winter überlebt, bahnt sich im kommenden Jahr ein beispielloses Waldsterben an, welches das Gesicht unserer Landschaft komplett verändern wird.
Leider gibt es für dieses Problem keine einfachen, schnellen Lösungen. Forstwirtschaft ist nun mal eine Generationenangelegenheit, weil Bäume Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte brauchen, bis sie dann mal endlich in den Himmel wachsen. Als unsere Vorfahren nach dem zweiten Weltkrieg hauptsächlich Fichtenwälder anlegten, war das aus damaliger Sicht die richtige Entscheidung. Der Wiederaufbau und das „deutsche Wirtschaftswunder“ verlangten nach immer mehr Holz für die Bauwirtschaft, aber auch für die Möbel- und Papierindustrie. Die Fichte war dafür genau die richtige Baumart. Wer hätte damals die seherischen Fähigkeiten haben sollen, den Klimawandel und die damit verbundenen Wetterkapriolen vorauszusagen?
Heute stehen wir wieder vor den gleichen Problemen. Wer kann vorhersagen, welche Baumart sich in 70 Jahren gegen die dann herrschenden klimatischen Voraussetzungen behaupten kann? Trotzdem muss die Forstwirtschaft handeln. Ein vernünftiger Weg ist sicher der Ausbau von Mischwäldern, da solche Baumgemeinschaften sich besser gegen Schädlinge, Trockenheit und Stürme behaupten können als reine Monokulturen. Bei der Weiterverarbeitung führt das natürlich dazu, dass die Sägewerke sich auf die Verarbeitung unterschiedlicher Holzarten einstellen müssen und dass wir uns als Endverbraucher auch auf Umstellungen gefasst machen sollten.
Vielleicht sitzen unsere Enkel mal nicht mehr unterm Tannenbaum, sondern unter der Flatterulme (Baum des Jahres 2019). Die lässt sich zwar nicht so gut besingen, aber man wird sich auch daran gewöhnen.
Ihr Norbert Schnellen