Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen
brilon-totallokal: In früheren Zeiten war auch in Deutschland eine große Kinderzahl die beste Garantie für eine ausreichende Altersversorgung. Otto von Bismarck gelang es durch die Einführung der Rentenversicherung dieses Prinzip zu sozialisieren. Im „Generationenvertrag“ zählte nicht mehr wie viele Kinder der einzelne hatte, sondern die jeweils nachrückende Arbeitergeneration war für die Altersversorgung der Ruheständler zuständig. An und für sich eine geniale Sache, nur Bismarck konnte weder die Erfindung der Anti-Babypille, die Überalterung der Gesellschaft, noch die zunehmende Automatisierung der Industrie vorausahnen.
Spätestens in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts war klar, dass dieses Rentensystem so auf Dauer nicht weiterbestehen kann. Generationen von Politikern wussten das, aber keiner traute sich an eine grundlegende Reform oder einen kompletten Systemwechsel heran. Es wurde ein bisschen Kosmetik betrieben, ein paar Steuermittel in den Rententopf gefüllt und vor allen Dingen hemmungslos gelogen. Nach der Jahrtausendwende wurde dann die private Altersvorsorge propagiert. Mit der „Riester-Rente“ und ähnlichen Produkten verdienten sich Finanzdienstleister auf Steuerzahlerkosten eine goldene Nase, eine wirkliche Aufbesserung der Altersvorsorge, gerade in den unteren Einkommensgruppen, bewirkten diese Wundermittel allerdings nicht.
Das Problem ist ein grundsätzliches: Das Bismarck’sche Rentenkonzept passt schon lange nicht mehr in unsere Zeit. Es ist ungerecht gegenüber der jungen Generation, die mit immer höheren Beiträgen den Lebensabend der vielen Alten finanzieren soll und es ist ungerecht gegenüber der älteren Generation, weil diese immer länger arbeiten soll und trotzdem, gerade in den unteren Einkommensgruppen, keine ausreichende Rente mehr erwarten kann. Dabei ist diese Ungerechtigkeit eigentlich kein Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern ein Konflikt zwischen Arm und Reich, der auch innerhalb der Rentnergeneration besteht.
Während ein Handwerker, der fast 50 Jahre auf dem Bau gearbeitet hat, oft nur knapp über die Grundsicherung kommt, können Politiker, höhere Beamte und manche anderen Berufsgruppen ihre hohen Alterseinkünfte kaum ausgeben. Eine gerechte Altersrente sollte jedem ein menschenwürdiges Auskommen sichern, ohne dass er als Bittsteller für staatliche Almosen anstehen muss. Sie sollte allerdings auch nach oben gedeckelt werden, da jemand, der im Laufe seines Berufslebens viel verdient hat, ausreichen Gelegenheit hatte, privat vorzusorgen. Die fortschreitende Automatisierung hat dazu geführt, dass das meiste Geld nicht mehr durch menschliche Arbeit erwirtschaftet wird.
Es ist absoluter Unsinn für die Finanzierung der Rente nur die Beschäftigten und ihre Arbeitgeber heranzuziehen, sondern es müssen alle Einkommen und Gewinne dazu herangezogen werden. Das heißt man könnte die Rentenkassen dicht machen und das Ganze direkt aus Steuermitteln finanzieren. Eigentlich ganz logisch, aber momentan politisch offensichtlich nicht durchsetzbar.
Wenn sich die Abgeordnetenpensionen an der Mindestrente für Geringverdiener orientieren würden, ginge das vermutlich sehr viel schneller.
Ihr Norbert Schnellen