Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen
brilon-totallokal: Genau wie bei vielen christlichen Feiertagen ist auch der Sinn des 1. Mai als „Tag der Arbeit“ für die meisten Menschen nicht mehr sehr präsent. In unserer heutigen Gesellschaft gibt es eigentlich keine traditionelle Arbeiterklasse mehr und die Kundgebungen der Gewerkschaften und Sozialdemokraten locken an diesem Tag kaum noch einen hinterm Ofen oder besser gesagt, hinterm Grill, hervor. Wenn man unseren Politikern und den meisten Medien Glauben schenkt, gibt es in unserer schönen neuen Arbeitswelt ja auch eigentlich keine gravierenden Probleme mehr und Massenproteste, wie sie in anderen Ländern stattfinden, sind hierzulande daher auch gar nicht nötig. Wir haben Vollbeschäftigung, die Löhne und Gehälter steigen seit vielen Jahren kontinuierlich an und einer breiten Masse der Bevölkerung geht es heute richtig gut. Auch für die Zukunft sind wir gut aufgestellt und die Mächtigen in Politik und Konzernen führen uns goldenen Zeiten entgegen. Ähnlich gut ist die Stimmung nur noch in China! Soweit die Meinungsmache aus der Abteilung Propaganda und Volksaufklärung.
Wie aber sieht es in der Realität aus? Das Wirtschaftswachstum, in den vergangenen Jahrzehnten immer als Motor für Vollbeschäftigung bezeichnet, schwächelt. Die Digitalisierung kostet, nicht erst in einer fernen Zukunft sondern schon jetzt, ganz konkret Millionen von Arbeitsplätzen, vor allen Dingen im Einzelhandel und in klassischen Handwerkssektoren, wie bei Bäckern und Metzgern. Die dafür entstehenden Arbeitsplätze, bei Paketdiensten, in Logistikzentren, in Schlachthöfen und Großbäckereien, sind weder zahlenmäßig, noch in Punkto Bezahlung, ein adäquater Ausgleich. Die Autoindustrie, als Flaggschiff der deutschen Wirtschaft, an der die meisten Arbeitsplätze in diesem Land hängen, hat in den vergangenen Jahren ihre internationale Glaubwürdigkeit verspielt und kurzfristige Gewinne einer nachhaltigen Innovation vorgezogen. Das wird in naher Zukunft sehr viele Arbeitsplätze kosten.
Beim Kampf für den Klimaschutz, bei einer gerechten Besteuerung von Kapitalerträgen und beim Kampf für einen vernünftigen Sozialstaat, immer kommt von der Kapitalseite die Drohung, dass das Arbeitsplätze kosten würde. Schaut man jedoch hinter die Kulissen, stellt man fest, dass Arbeitsplätze sowieso dort wegfallen, wo es technisch irgendwie möglich ist, da wird vorher erst gar nicht lange gedroht. Wo eine Produktion im Ausland Sinn macht, werden auch diese Arbeitsplätze, ohne Rücksicht auf das eigene Land, ins Ausland verlegt. Bei Kapitalgesellschaften zählt nun mal nur das Kapital und nicht die Arbeitsplätze.
Wie reagiert unsere Politik auf diese Entwicklung? Äußerst entschlossen, indem sie mehr Bürokratie schafft. Je mehr Gesetze existieren, je widersprüchlicher diese Gesetze sind, umso mehr Bürokraten braucht man um die Einhaltung dieser Gesetze zu kontrollieren und die Probleme, die sie selbst schaffen zu lösen. Da wird dann eifrig normiert, standardisiert und zertifiziert, bis die Schwarte kracht. Ob eine große Volkswirtschaft damit auf Dauer bestehen kann ist jedoch fraglich und mit sinnvoller und sinnstiftender Arbeit haben solche Jobs dann überhaupt nichts mehr zu tun.
Ihr Norbert Schnellen