Stichwort der Woche: Politisches Artensterben

Brilon-totallokal: Stichwort der Woche… von Norbert Schnellen

brilon-totallokal: Noch nie in der Geschichte war das Angebot an Lebensmitteln so groß wie heute. Wir haben die Auswahl zwischen zigtausenden von Produkten. Auf der anderen Seite war die Anzahl der Anbieter noch nie so klein wie heute. Seit dem Sterben der Tante Emma Läden, der kleinen Bäckereien und Metzgereien reduziert sich die Anbieterseite im Wesentlichen auf die vier großen Konzerne: Edeka, Rewe, Lidl und Aldi. Eine Tatsache, die für uns selbstverständlich ist und nicht in Frage gestellt wird. Ähnlich unkritisch wurden in früheren Zeiten nur Religionen akzeptiert. Sind die großen Lebensmittelkonzerne inzwischen für uns zu einer Art Religionsersatz geworden?

Wenn man die Menschenmassen betrachtet, die täglich in die großen Konsumtempel pilgern, könnte man schon fast davon ausgehen. Ein außerirdischer Besucher würde in unserem Konsumverhalten mehr vermuten, als das bloße Bemühen unseren Stoffwechsel mit Hilfe von Nahrungsaufnahme am Laufen zu halten. Die Form unserer heutigen Nahrungssuche unterscheidet sich vom Verhalten voriger Generationen um Welten. Nicht mehr unsere eigenen Wünsche und unserer eigenes Verlangen steuern unser Kaufverhalten sondern wir unterwerfen uns, bewusst oder unbewusst, einer Fremdsteuerung unserer Nachfrage.

Als denkende Wesen mit einem recht hohen Bildungsstandard, sollte man von uns erwarten können, dass wir unser Kaufverhalten reflektieren und uns Gedanken über die Herkunft und die Umstände der Produktion unserer Lebensmittel machen sollten. Gerade in Zeiten, in denen man als Lippenbekenntnis ein höheres Umweltbewusstsein zur Schau stellt, wäre es sicher sinnvoll, den Umgang dieser Konzerne mit ihren Lieferanten, Mitarbeitern und der Umwelt einmal näher zu hinterfragen. Kaum ein vernünftiger Mensch ist für Massentierhaltung, industrielle Landwirtschaft mit Pestizideinsatz und unnötige Transportwege, trotzdem strömen wir fast täglich zu den „vier Großen“ um unsere Einkaufswagen mit Billigprodukten zu füllen. Mit dem „gesparten“ Geld kann man ja zum Shoppen nach New York fliegen oder die Raten für den neuen SUV bezahlen. Ein Psychoanalytiker würde ein solches Verhalten als schizophren einstufen.

Die industrielle Landwirtschaft und der Warentransport auf der Straße gehören zu den größten Verursachern von CO2. Wir können noch so viel Windräder und Photovoltaikanlagen in die Landschaft stellen, wenn wir unsere Einkaufsverhalten nicht ändern, werden wir schon in ein paar Jahren nicht mehr vom Klimawandel reden, sondern in der Klimakatastrophe leben. Die größten Verbrechen an der Umwelt entstehen nicht durch Boshaftigkeit, sondern durch Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit. Es liegt an uns die wenigen verbliebenen regionalen Anbieter zu unterstützen und neuen Gründern Mut zu machen. Nur eine breitere Palette von regionalen Anbietern, vielleicht mit einem auf ein vernünftiges Maß geschrumpften Angebot, bedeutet auch die Rückkehr zu einer wirklich „sozialen Marktwirtschaft“. Das real existierende Anbietermonopol können wir uns auf Dauer nicht mehr leisten.

Ihr Norbert Schnellen

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