Nur noch eins von ehemals 15 Kriegsblinden Kursanatorien: LWL – Für die Menschen – Für Westfalen-Lippe
brilon-totallokal: So bezeichnet sich der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) auf seiner Homepage selbst. Aber wer ist das und wer lenkt ihn? Der LWL ist ein Kommunalverband. Er vertritt die Interessen von Gemeinden, Städten und Kreisen in ganz Westfalen-Lippe. Er ist der Partner für die Kommunen die ihn finanzieren. Das oberste Gremium ist die parlamentarische Vertretung der Landschaftsversammlung. Das „Westfalenparlament“ besteht in dieser Legislaturperiode aus 46 Vertretern der CDU, 40 der SPD, 13 der Grünen, acht der FDP, fünf die Linke, zwei der AfD und zwei der Piraten. Diese 116 Politikerinnen und Politiker stammen aus den Räten, Kreistagen oder Verwaltungen der 18 Kreise und neun kreisfreien Städte.
Naturgemäß sinkt die Zahl der Kriegsblinden
Bei den Briloner Bürgerinnen und Bürgern firmierte das ab 1962 erbaute Haus immer unter der Bezeichnung Kriegsblindenheim. Seine heutige Bezeichnung lautet offiziell „Kursanatorium Hochsauerland – Haus der Kriegsblinden“ In diesem letzten von ehemals 15 vergleichbaren Häusern leben zurzeit 18 Bewohner mit Dauerwohnsitzrecht. Hinzu kommen noch Kriegsblinde, deren Zahl jedoch rückläufig ist. Zu den „Kriegsblinden“ zählen jedoch nicht nur Wehrmachtsangehörige sondern auch die durch Kriegshandlungen oder Munitionsreste verunglückte und erblindete Personen. Ein in diesem Zusammenhang erfreuliche Tatsache ist, das bisher noch keine Soldatin oder Soldat der Bundesswehr aus Kriegs-, Auslands- oder UN-Einsätzen dieses Haus in Anspruch nehmen musste. Die traumatisierten Bundeswehr angehörigen können in diesem Haus nicht Kuren und behandelt werden, da das hierzu benötigte Personal wie z. B. Psychologen und weitere nicht vorhanden sind.
Stadt Brilon ein großer Unterstützer des Kursanatoriums
Günter Huster, LandesverbandsvorsitzenderWestfalen betonte besonders die herausragende Rolle der Stadt Brilon bei der Unterstützung für die Kriegsblinden. Herausragend nannte er hierzu den durch die Stadt in Eigenregie angelegten kleinen und großen Kriegsblinden Weg. Diese Wege ermöglichen es den Erblindeten selbstständig und sicher diese Strecke zurückzulegen und somit bewusst eine Eigenständigkeit zu erlangen. Der große Weg hat immerhin eine Streckenlänge von sechs Kilometern. Laut Huster handelt es sich bei diesem langen Weg um den einzigen im Bundesgebiet, wenn nicht sogar in Europa. Dieser Weg wird zurzeit durch die Stadt, wie üblich, wieder hergerichtet. Im Übrigen sind Radfahrer und Reiter von der Nutzung dieses Wegs ausgeschlossen. Jeder sehende kann einmal versuchen mit geschlossenen Augen eine kurze, wenn möglich gerade Strecke zu gehen, um zu erkennen wie schwierig es ist sicher zu laufen und vor allem die Richtung einzuhalten. Ein Phänomen ist hierbei die von den Blinden als auch den betreuenden geschilderte „Linkslastigkeit“. Wodurch diese hervorgerufen wird ist unbekannt.
Badeabteilung, Sauna, Kegelbahn
Katrin Mansfeld, Leiterin der Badeabteilung erläuterte den LWL-Besuchern die diversen Einrichtungen dieses Bereiches. Vier Damen, zuständig für Massagen und Physiotherapie führen die verordneten Anwendungen durch. Die Spannbreite reicht von der klassischen Massage, über Wellnessmassage, Unterwassermassage, Stangerbad, Magnetresonanztherapie bis hin zu Mikrowellenanwendungen für Rückenbehinderungen mit Tiefenwirkung. Unterstützt werden die vorgenannten Anwendungen durch morgendliche Wassergymnastik im hauseigenen temperierten Schwimmbad. Für ältere und eventuell stärker beeinträchtigte wird die Gymnastik auch als Hockergymnastik durchgeführt. Im Durchschnitt werden in der Zeit von März bis Oktober zwischen 15 und 30 Patienten als Kurgäste behandelt. Vereinzelt nehmen auch Bundeswehrangehörige und Patienten aus der Wirtschaft dies Angebote in Anspruch, vorausgesetzt der jeweilige Kostenträger oder die Krankenkasse stimmt dem behandelnden Arzt bei seiner Einweisung zu. Eine Besonderheit im Hause ist die Sauna und die Kegelbahn. Die Saune wird nach Auskunft von Frau Mansfeld gerne in den frühen Morgenstunden von den Patienten benutzt, selbst bei den zum Zeitpunkt des Besuches herrschenden hohen Temperaturen. „Sie glauben gar nicht, wie hart viele Patienten gegen sich selbst sind“.
Für sehende nur schwer vorstellbar ist die Benutzung der Kegelbahn. Brigitte Grudzinski, selbst begeisterte Keglerin, erklärte wie einfach für sie die Benutzung der Anlage ist. Aufgebaut wie eine übliche, automatische Kegelbahn, hat diese im „Anlaufbereich“ links und rechts am Fußboden zwei kleine Leisten die ihr die für sie nötige Position zur Bahn und zur Aufnahme der seitlich liegenden Kugeln dient. Ein Seil begrenzt ihren Zugang zur Bahn, wie üblich auch hier mit einem Signalton verbunden, von wo aus sie die Kugel mit einem gewissen Schwung auf die Bahn gibt. Sie sagt selbst, des es ihr natürlich nicht möglich linke oder rechte Gasse oder Bauern anzupeilen. Es geht immer in die vollen. Unterstützung erhalten sie immer durch einen sie begleitenden sehenden. Das geworfene Ergebnis wird per elektrischer Ansage den Keglerinnen und Keglern sofort mitgeteilt.
Im Winterhalb wird der Patientenrückgang durch diverse Tagungen und Reha Vorträge ausgeglichen. Natürlich, so Günter Huster hat sich der Aufwand im Haus seit seiner Gründung wesentlich geändert. So hat heute jedes Zimmer seine eigene Nasszelle, der Anteil an Doppelbett Zimmern ist enorm gestiegen, um auch die begleitende Person, die Selbstzahler ist mit unterzubringen. Ebenfalls gegenüber den Anfangsjahren haben sich die Anwendungen und somit auch das dazu benötigte Personal zahlenmäßig vergrößert, bei gleichzeitig rückläufigen Patientenzahlen steigen somit die Kosten.
Eine Besonderheit des Hauses schilderte Huster noch. Der Briloner Architekt Nicolai musste damals auch einen Atombomben Bunker mit berücksichtigen. Die baulichen Mehrkosten hierfür betrugen 1962 70.000 DM. Zur Bauzeit eine nicht unerhebliche Summe. Bekanntermaßen erfolgte keine Bestimmungsgemäße Nutzung. Heute dient diese Anlage friedlicheren Zwecken als gern genutzter Abstellbereich.
Wolfgang Diekmann erläuterte den Anwesenden, dass er neben seiner bekannten Tätigkeit im LWL auch gleichzeitig Ortsvorsteher von Gudenhagen-Petersborn ist und er somit stetigen Kontakt zu diesem Haus hat. Gleichzeitig erinnerte er an das in kürze stattfindende Schützenfest statt bei dem der Ortsteil selbstverständlich auch dem Kursanatorium das übliche „Ständchen“ darbringt. Auch dieses ist für die Patientinnen und Patienten eine gern angenommene Darbietung und gibt ihnen das Gefühl eingebunden zu sein.
Text +Bild. Peter Kasper