Stichwort der Woche von Norbert Schnellen: Die große Rentenlüge
Wieder einmal wird über eine Anhebung des Renteneintrittsalters diskutiert. Dass der aktuelle Vorschlag ausgerechnet von „Bankern“ kam, also einer Menschengruppe, die sich durch fette Boni-Zahlungen und ähnliche Machenschaften den Traum vom sehr frühen Ruhestand bequem verwirklichen kann, ist an sich schon eine Unverschämtheit. Seit meinem Start ins Arbeitsleben, der nun auch schon wieder ein paar Jahrzehnte zurückliegt, wird regelmäßig über eine Reform der Rentenversicherung diskutiert. Nach Nobby Blüms Kampagne „Die Rente ist sicher“, kam die kleinkriminelle Abzocke der Arbeitnehmer durch die sogenannten „Riester-Reformen“ und die schrittweisen Anhebung der Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Alle diese Pseudo-Reformen gehen zu Lasten der unteren und mittleren Einkommen. Eine richtige Rentenreform, welche die zunehmenden Ungerechtigkeiten und die drohende Gefahr einer verbreiterten Altersarmut bei den Wurzeln packt, wurde bisher auch noch nicht mal ansatzweise auf die politische Agenda gesetzt.
Nehmen wir beispielsweise den Begriff des „Renteneintrittsalters“. Allein die Tatsache den Renteneintritt am Lebensalter und nicht an Beitragsjahren festzumachen ist eine schallende Ohrfeige für all jene Menschen, die schon in sehr jungen Jahren den Einstieg ins Arbeitsleben machen mussten. Wer zum Beispiel mit 15 Jahren seine Berufsausbildung begonnen hat, der hat mit 60 Jahren 45 Jahre seine Beiträge bezahlt und sollte danach einen schönen Lebensabend genießen können. Wer mit 29 Jahren, nach einer Hochschulausbildung, welche ihm ja auch zu großen Teilen von der arbeitenden Bevölkerung finanziert wurde, ins Arbeitsleben startet, müsste demnach, sofern er gesundheitlich dazu in der Lage ist, bis zu seinem 74. Lebensjahr arbeiten um der Gesellschaft das zurückgeben, was sie in ihn investiert hat. Kommen wir zur Rentenhöhe.
Derzeit gilt:
Wer viel verdient bekommt auch eine hohe Rente, es sei denn, er hat sich durch das Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze komplett aus dem System verabschiedet. Wer jedoch, ob unverschuldet oder nicht, eine brüchige Berufsbiografie hat, sei es durch Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Schlechtwettergeld, hat in diesem System die Arschkarte gezogen und muss zum Sozialamt gehen und um Aufstockung betteln. Mit „sozialer Marktwirtschaft“ und einer solidarischen Gesellschaft hat das sicher nichts mehr zu tun. Sozial gerecht wäre eine Grund- oder Sockelrente, so wie bei unseren niederländischen Nachbarn, die ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und eine Höchst- oder Maximalrente. Wer viel verdient, kann sich ja vorher schon was zur Seite legen um seinen Lebensstandard zu halten.
Wie soll das Ganze finanziert werden? Die derzeitige Umlagefinanzierung ist leider nicht mehr zukunftsfähig. Sie bevorzugt die Firmen, die durch Digitalisierung und Produktion im Ausland, mit wenigen Mitarbeitern viel Gewinn machen und bestraft vor allen Dingen kleinere Firmen, die ihre Mitarbeiter im Inland beschäftigen und diese nicht wegrationalisieren können oder wollen. Gerecht wäre vermutlich nur eine komplette Steuerfinanzierung. Die würde jedoch eine radikale Steuerreform voraussetzen. Das ist dann aber ein komplett neues Kapitel.
Ihr Norbert Schnellen