„China als Herausforderung für Südwestfalen“
brilon-totallokal: Das 56. Briloner Wirtschaftsforum fand am 20. November im Atrium der Sparkasse Hochsauerland in Brilon statt. Mehr als 160 Interessierte waren der Einladung der Stadt Brilon und der BWT Brilon Wirtschaft und Tourismus GmbH gefolgt. Die Veranstalter hatten mit Dr. Marcus Hernig einen profunden Kenner des politischen und wirtschaftlichen Chinas gefunden, der vor allem auf die Herausforderungen für den heimischen Mittelstand eingeht. Der Hausherr, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Hochsauerland Ingo Ritter begrüßte die Anwesenden und war über die große Resonanz erfreut.
Er bezeichnete die „Neue Seidenstraße“ als das Lieblingsprojekt der chinesischen Staatsspitze, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass andere dieses Projekt als massive Bedrohung und in der Kreditierung durch die chinesische Staatsbank große Probleme in den Ländern, die diese Projekt refinanzieren müssen, sehen. Der Beigeordnete der Stadt Brilon, Reinhold Huxoll sprach für den erkrankten Bürgermeister und wies darauf hin, das mit Dr. Marcus Hernig, der seit 1992 in China lebte und ab 1998 in Shanghai beheimatet war, ein ausgesprochener China Kenner, der seit einigen Jahren in Hallenberg lebt, zu dieser Veranstaltung verpflichtet werden konnte.
Die Seidenstraße
Wenn in neuerer Zeit von der Seidenstraße die Rede ist, wird häufig ein Schreckgespenst für Handel, Wirtschaft und Industrie dargestellt. Ob diese Ansicht berechtigt ist und die Befürchtungen zu Recht bestehen soll dieser Vortrag verdeutlichen.
Die ursprüngliche Seidenstraße war ein Transportweg für Seide, Gewürze, Glas und Porzellan. Der Buddhismus kam über die Seidenstraße bis nach China und weiter nach Japan. Die Kenntnis von Papier und Schwarzpulver kam darüber in die arabischen Länder und von dort nach Europa. Die Ursprünge der Seidenstraße gehen zurück bis in das fünfte Jahrhundert vor Christus. Zu dieser Zeit war sie als persische Königstraße, die später Teil der Seidenstraße wurde, angelegt.
One Belt, One Road (= Ein Gürtel, Eine Straße)
Geostrategische Aspekte wurden 1999 in den USA mit der „Seidenstraßenstrategie“ definiert, die wirtschaftlichen Ziele Europas 1993 mit dem Projekt TRACECA definiert, die chinesischen Ziele 2013 im Projekt „One Belt, One Road“ Daraus entwickelte sich 2017 das „Belt and Road Forum for International Cooperation“ Welches später unter dem Kürzel BRI weltweit bekannt gemacht und vermarktet wurde. Ziel der BRI ist die Schaffung eines eurasischen Wirtschaftsraumes vom Gelben Meer bis an den Atlantik und Afrika einbindend. Landverbindungen (Belt) über die Türkei und Russland bis nach Duisburg mit Abzweigungen nach Köln und Neuss, und weiterführend nach Rotterdam. Die Seewege (Road) über den Pazifik, Suezkanal und Mittelmeer bis hin zum Atlantik, die ebenfalls afrikanische und europäische Ziele einbinden.
Die Herausforderungen
Dr. Marcus Hernig stellte zu Beginn die Gliederung seines Vortrages vor:
- Die neue Seidenstraße – Die Belt & Road Initiative (BRI)
- Globale Schwerpunkte und Trends der BRI
- BRI: Die Krise als Chance
- Eine westfälische Geschichte – der Hansebund
- Deutsch-chinesische Mittelstandskooperation als Handwerkzeug für die Neue Seidenstraße
- Regionalkooperation als Grundlage einer globalen Zukunft mit China
Die neue Seidenstraße (BRI) benutzt einen alten Namen für neue Routen. Sie unterscheidet zwischen der Maritime Silk Road (Seidenstraße Seeweg und dem Landweg innerhalb und außerhalb Chinas. Innerhalb sind dieses die China Railway und außerhalb die Trans-Siberian Railway (Transsibirische Eisenbahn) und die Kunming-Singapore Railway. Diese Überlegungen und späteren Planungen basieren im Wesentlichen darauf, dass die politischen Führer sehr stark in historischen Dimensionen Denken. Dieses führte nach Mao Tse-tung 1978 zur Öffnung Chinas in dem unter anderem das kleine, unbedeutende Fischerdorf Shenzhen, am Rande der Grenze zu Hongkong sich zu einer modernen Metropole entwickeln konnte.
Deng Xiaoping der dieses Programm ermöglichte gilt als der Vater der chinesischen Marktwirtschaft, durch seine „Reise nach dem Süden“, das heißt Öffnung Chinas für westliche Technologien. Sein Langzeitplan der Öffnung Chinas nach außen erfolgte in drei Phasen. In den 80er Jahren Öffnung für Sonderwirtschafts Zonen als Experiment. Dem folgte in den 90er Jahren die Öffnung der Küstenregion für den wirtschaftlichen Aufstieg und etwa ab 2000 die Öffnung des Hinterlandes unter dem Begriff „Go West“. Die vierte Phase der Reform der Öffnung setzte 2013 mit BRI ein. Die BRI hat natürlich nicht nur positive Seiten. Am Beispiel Sri Lankas wird das Risiko in all seine Facetten sichtbar. Die Erstellung der Gesamtanlagen wurde durch die chinesische Staatsbank kreditiert.
Der Tilgungsplan konnte jedoch nicht eingehalten werden, so dass eine Umwandlung in eine 99 jährige kostenfreie Nutzung durch China Vertraglich fixiert worden ist. Ein weiteres Beispiel ist der Hafen von Piräus, dessen Ausbau technisch Notwendig wurde. Aufgrund griechischer Finanzprobleme übernahm China den Hafen zu 75 Prozent. Mittlerweile ist diese vierte Phase der Entwicklung in mehr als 130 Ländern der Welt eingeleitet. Gleichzeitig versucht China jedoch den innerchinesischen Verkehr sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße mit großen Aufwendungen zu modernisieren.
Der Globale Schwerpunkt der BRI ist „die Welt per Bahn verbinden“. Oberste Priorität haben die Verbindungen mit Hochgechwindigkeitstrassen bis nach Europa. Beispiel hierfür der Transeurasien Express nach Duisburg mit 39 Zügen pro Woche. Duisburg war der Anfang, die Fortsetzung ist bereits erfolgt mit Köln und jetzt auch Neuss mit je einem Zug mit jeweils 45 Containern. Zur Zielerreichung gehört in China auch die Entwicklung der „Renaissance“ Züge, die fit für Eurasien sind. Ob die ankommenden und abgehenden Stückzahlen der Züge von und nach Duisburg sich die Waage halten, ist nicht eindeutig. Das Ladespektrum der Abgänge ist nicht bekannt, da die Züge Duisburg verplombt verlassen. Positiv sind jedoch zwei Dinge.
Erstens stammt die Technologie der neuen Züge aus dem Westen und zweitens ist bekannt dass zurzeit Luxusgüter und hochwertige Küchen aus Deutschland sehr gefragt sind. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Verkürzung der Zuglaufzeiten von derzeit 15 Tage auf 12 Tage. Die Landregionen werden zu globalen Zentren. Um dieses zu erreichen werden die Bahnverbindungen immer weiter ausgebaut. Hierzu gehört die längste Bahnverbindung der Welt mit Yiwu-Madrid mit 13.000 km. 2016 kam die Verbindung Yiwu-Teheran und 2017 Yiwu-London hinzu.
Yiwu ist eine Musterstadt des China-Handels „shengy“ (=Sinn des Lebens, „Sinnvolles für das Leben“)mit Südeuropa, Mittelost und Afrika. Von hier aus erfolgt die Versorgung mit China-Produkten vom BH bis zur Elektronik. Mit hierzu gehören die Anlegung großer Logistik Zentren wie die Stadt Khorhgos in Kasachstan oder der Great Stone-Park Minsk in Weißrussland. Ein weiteres herausragendes Projekt zu diesem Schwerpunkt ist die Anlage des Hafens Gwadar in Pakistan. Über diesen Hafen soll Chinas Westen per Bahn mit dem weltweiten Transitnetz verbunden werden.
Es wird jedoch auch vermutet, dass dieser Hafen eine Rolle bei der Versorgung der chinesischen Marine-Stützpunkte in diesem Raum spielen soll. Prinzipiell spielt die Seidenstraße zu Wasser und zu Lande eine Rolle, Chinas Ausrichtung zu einer weiteren Weltmacht neben USA und Russland zu fördern. Chinas Wachstumsentwicklung ist enorm angestiegen, auch wenn zurzeit, für chinesische Verhältnisse eine Wachstumsdelle erkennbar ist. Es bleibt jedoch zu bemerken, dass China bis 2010 bis zu neun Prozent seines Brutto Inlands Produkt (BIP) in die Infrastruktur investiert hat, das waren 9.300 Milliarden Dollar. Bewertet wurde der Zeitraum 2008 bis 2017. In dem gleichen Zeitraum investierte die Bundesrepublik 0,6 Prozent/Jahr ihres BIP. Dr. Hernig stellte fest: China baut – Deutschland baut ab! Hierzu gehört ebenfalls der Vergleich China Railway und DB. Wenn man das DB Netz spiegelt und gleichzeitig die Geschwindigkeit verdreifacht dann wird darin der Unterschied zu China erkennbar. Ein weiterer Globaler Schwerpunkt ist der Bereich E-Commerce als neues Feld großer Aktivitäten. Genannt sind hier die Konzerne Alibaba, JD und We-Chat.
Sie alle sind verbunden durch Shopping. Um diesen Bereich Welt weit zu nutzen werden schnellere Ost-West Verbindungen aufgebaut bzw. geplant. Ein Wettbewerb zwischen Flugzeug und Schiene findet statt. Die Frachtzeiten bei Zügen sollen auf unter zehn Tage fallen bei einem Preisvorteil zum Flugzeug von Minus 50 Prozent. Sowohl in Zentralasien als auch in Europa wächst der Bereich E-Commerce, da chinesische Waren immer verfügbarer sind. Neue Ziele der BRI sind Afrika und Südamerika. Das hierzu notwendige Investitionsvolumen ist groß. China hat in diese Bereiche 2018 204 Milliarden US Dollar investiert. Im Vergleich dazu Russland 20 Milliarden US Dollar, die EU 40 Milliarden US Dollar zuzüglich Einzelinvestitionen der Mitgliedsstaaten.
36 Prozent aller EU Exporte gehen derzeit (2018) nach Afrika. Afrika sucht Modernes, Bildung, Infrastruktur und Jobs. Das wird durch EU-Exporte nicht abgedeckt. China investiert verstärkt in Infrastruktur und Bildung und gilt als Entwicklungsmodell für die Länder. Gleichzeitig werden Länderpartnerschaften geschlossen, durch China mit Äthiopien und Russland mit Ägypten. Aus der Vergangenheit heraus haben China und Iran sehr alte Verbindungen, die jedoch derzeit wegen des US-Embargos ruhen.
Auch in China mehren sich kritische Stimmen zu dem Investitionsvolumen, das bis jetzt mehr als 600 Milliarden US Dollar an Krediten seit 2013 verursacht hat. Dieses wird in China als zu teuer angesehen, jedoch sind im Zentralkomitee die Stimmen derer noch nicht zu hören, da sie vermutlich keine ernsthafte Mehrheit erlangen. Ein weiterer großer Nachteil liegt darin, dass die Projekte zu schnell entwickelt und erstellt werden, eine Planfeststellung nicht stattfindet und der Objektverteuerung Tür und Tor geöffnet ist. Andererseits sehen manche in den Nehmerländern China als Imperialisten und sind teilweise auch noch Opfer einer empfundenen Schuldenfalle. Die EU-Kritik richtet sich vor allem gegen fehlende Rechtsnormen.
Westfalens Hanse könnte ein Ansatz für Geschäftsbeziehungen miteinander sein. Was war die Hanse? Sie war erst einmal ein Bündnis von Kaufleuten, die gemeinsame Interessen hatten. In der damaligen Zeit waren 195 Städte in 16 Ländern in dem Nordeuropäischen Städtebund mit ihren Interessen vereint. Es war ein Europäisches Bündnis das Wirtschaft, Militär, Recht und Kultur vereinte. Es war vordergründig ein Bündnis von Menschen und funktionierte, weil sie ein Rechtbündnis geschlossen hatten. Ihre Vision war bilden einer Internationalen Gemeinde aus verschiedenen Regionen die einen freien Austausch von Waren und Kulturen ermöglicht. Eine Gesellschaft mit eigenen Werten und eigenen Experten bildete nämlich den Wirtschaftsbund die Hanse. Diese Bündnisbildung wäre auch heute in Bezug auf die neue Seidenstraße übertragbar, indem am Rand der Seidenstraße regenerative Bereiche angelegt werden in den diversen Ländern.
Dass die deutsch-chinesische Mittelstandskooperationen als Handwerkzeug für die neue Seidenstraße funktionieren, ist an den folgenden drei Beispielfirmen ablesbar. Die eigene China-Erfahrung und Expertise haben HOPPECKE – Power from Innovation aus Brilon-Hoppecke, die seit 2005 in Wuhan und vorher in Shanghai produzieren. Sie entwickeln neue Energieträger entlang der BRI, hierzu gehören Züge als Schlüsseltechnologie. Umwelt im Fokus im Bereich neuer Logistikzentren von Khorhgos bis ins Rheinland und Zulieferer im Bereich E-Commerce in Zentralasien und in Afrika für den Bereich Luft und Straße. Zu ihrem Portfolio gehören Systeme für Züge (rail), bessere Nutzung der Sonnenenergie (sun), Power für Logistikfahrzeuge aller Art (trak) und Batterien für Dauerstromversorgung (grid).
KettenWulf aus Eslohe-Kückelheim ist mit einer eigenen Fertigung seit 2004 in Linping bei Hangzhou tätig und die Firma Paul Köster aus Medebach ist mit der Tochterfirma Suzhou LK in China tätig. Die deutsch-chinesische Zusammenarbeit für BRI 2019 unter dem Titel „people to people-bonds“ ermöglicht echte Kooperationen die z. B. zu Gemeinschaftsprodukten führen. Beispielhaft ist hier VW die unter der „Marke“ DC mit einem chinesischen Partner ein in China weiterentwickeltes Fahrzeug auf der Basis Passat dort auf den Markt gebracht haben, welches auch nur dort erhältlich ist. Ein anderes Beispiel ist das Erlernen der chinesischen Sprache, was nach Aussage von Dr. Hernig nicht schwer sein soll.
Regionalkooperationen sind nach Meinung von Dr. Hernig eine neue Chance den chinesischen Markt zu erreichen. Durch das gewinnen von Partnerregionen in China und auf der Seidenstraße ist Know-how vermittelbar und Investitionen können durchgeführt werden. Regionalkultur kann vermittelt werden und Handwerkstraditionen können Umgesetzt werden. In China studieren sehr viele junge Menschen, die unter großer Mühe der Elternhäuser das Studium durchführen können. Leider erhalten sie jedoch nach Abschluss nur in den seltensten Fällen entsprechende Arbeitsplätze.
Hier wäre handwerkliche Tätigkeit eine Möglichkeit des nachhaltigen Austausches, obwohl Handwerk bisher in China kein hohes Ansehen besitzt. Die Plattform für die Zukunft könnte das Deutsch-Chinesische Zentrum Südwestfalen (DCZ) sein. Kulturprogramme und –austausch wie China in Südwestfalen „Von der Sprache bis zur Teezeremonie“ oder Südwestfalen für „Greater China“ mit Themen aus der Region. Wirtschaftlich könnten Gründerzentren für Unternehmen „Greater China“ oder Netzwerke und Expertise aus der Region und „Greater China“ hilfreich sein.
Die anschließende Diskussion deckte noch einmal das gesamte Spektrum des Vortragenden ab und wurde lebhaft geführt.
BU.: Anlässlich des 56. Briloner Wirtschaftsforums stellten sich nach dem Vortrag „Der Wind weht von Osten. China als Herausforderung für Südwestfalen“ Veranstalter, Vortragender und Hausherr zum Bild.
1.Li.: Oliver Dülme Geschäftsführer BWT, Dr. Marcus Hernig Vortragender und China Kenner, Ingo Ritter Vorstandsvorsitzender Sparkasse Hochsauerland und Reinhold Huxoll Beigeordneter Stadt Brilon
Quelle: Peter Kasper