Das Josefsheim Bigge ist Heimat und Arbeitsplatz für weit mehr als 850 Menschen
brilon-totallokal: Das Josefsheim Bigge ist Heimat und Arbeitsplatz für weit mehr als 850 Menschen, die hier auf dem Campus unter einem Dach Hand in Hand in den Betrieben der Bigger Werkstätten zusammen arbeiten, am Berufsbildungswerk mehr als 30 Berufe von der Agrarwirtschaft über Metallbau und Mediengestalter bis zum Fachwirt für Bürokommunikation erlernen oder in den Wohnbereichen für Menschen mit Behinderung leben und hierbei von Mitarbeitern im Alltag unterstützt werden.
Die letzten Wochen ganz im Zeichen der Corona-Schutzmaßnahmen haben auch hier Veränderungen und Situationen herbeigeführt, die es so noch nie gab. Abstand als Zeichen von Fürsorge, strenge Hygieneregeln zum Schutz der Menschen in Risikogruppen und vor allem der Wegfall von Tagesstrukturen erfordern seitdem ein mehr an pädagogischer Begleitung, als die Beschäftigten, Mitarbeiter und Bewohner im Josefsheim Bigge und im Josefshaus in Lipperode bisher gewohnt waren.
„Obwohl die Gesamtsituation der letzten Woche natürlich im gewissen Maße belastet, danken wir allen Beteiligten für ihre große Solidarität, ihr Verständnis und ihre Unterstützung bei der Mitwirkung und Umsetzung der umfassenden Corona-Verordnungen und Einschränkungen “ sagt Gerhard Freund, einer der beiden Geschäftsführer am Josefsheim Bigge. „Dennoch sind wir dankbar, dass bisher kein Corona-Fall eingetreten ist. Für diesen Fall halten wir nach wie vor eine eigene Krankenstation vor, auf der im Ernstfall bis zu 15 Menschen mit Behinderung stationär in Zusammenarbeit mit der Elisabeth-Klinik Bigge im geschützten Bereich des Haus Martinus behandelt werden könnte“.
Der Weg in eine „neue“ Normalität wird somit auch für Menschen mit Behinderungen schrittweise begangen und durch das motivierte Josefsheim-Team gut koordiniert. Bereits am letzten Sonntag wurden die Besuchsregeln unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften gelockert und viele Familien konnten sich nach wochenlanger Abstinenz zum Muttertag wiedersehen.
Auf Abstand: wir halten zusammen, ohne uns die Hände zu geben
„Nachdem letzte Woche die Absolventenjahrgänge in das Berufsbildungswerk zurückkehrten, um so bestmöglich auf die anstehenden Abschlussprüfungen vorbereitet zu werden, folgt diese Woche die Öffnung der Bigger Werkstätten. Auch hier werden wir den Betrieb langsam und Schritt für Schritt wieder aufnehmen. Viele vermissen den Berufsalltag und den persönlichen Kontakt mit den Kollegen. Dennoch sind wir stolz, dass wir trotz Corona gemeinsam mit Beschäftigten und Mitarbeitern vielfach in den Wohngruppen unsere Aufträge vollumfänglich erledigen konnten und so bisher keine Kurzarbeit notwendig wurde“, ergänzt Winfried Cruse, als Geschäftsführer verantwortlich für den pädagogischen Bereich des Josefsheim Bigge.
Josefsheim-TV berichtet täglich aus Bigge und der Welt
Damit alle Menschen mit Behinderung in den Wohngruppen in Zeiten von Corona bestmöglich informiert wurden, hat das Josefsheim-Team zu Beginn der Pandemie innerhalb weniger Tage einen eigenen Josefsheim-TV-Kanal ins Leben gerufen. Hier werden seit dem 7. April 2020 zweimal täglich selbst gestaltete Beiträge der Bewohner und Mitarbeiter gesendet. Nachrichten aus dem Josefsheim, dem Sozialraum Bigge und Lipperode sowie der ganzen Welt, Bewegungsübungen der Mobilitätstrainer, Beiträge der Musikpädagogin, christliche Impulse, gut umsetzbare Tipps der Psychologin, Gebärden der Woche aus der Beratungsstelle Unterstützte Kommunikation, Videos mit Kooperationspartnern, beispielsweise über die „polizeilich bekannten Gefahrenstellen im Straßenverkehr von Bigge“, wöchentliche Grußworte der Geschäftsführung und vieles mehr bringen so ein Stück Alltag über das Josefsheim TV zurück. Zum Erfolg des eigenen Hauskanals tragen viele einzelne Akteure bei. So fungiert die Beiratsvorsitzende Georgia Petresis hochprofessionell als Nachrichtensprecherin und die Bewohner und Mitarbeitenden der Wohnhäuser schicken Geschichten, Gedichte, musizieren oder versenden Grüße als Fotocollage, Rätsel oder das Werkstatt-Team setzt gemeinsame Projekte sendereif um.
Freundes- und Förderverein unterstützt wöchentliche Schuhkarton-Aktion
Begleitet wird das TV-Projekt von einer wöchentlichen Schuhkarton-Aktion, die der Freundes- und Förderverein nach Bedarf finanziell unterstützt. Ganz nach dem Motto „Freizeit mal anders“ enthalten die Kartons oftmals die thematisch passende Begleitung zum TV-Programm. „Wir stellen hierbei Utensilien jeglicher Art für jede einzelne Wohngruppe bereit. In der letzten Woche haben wir beispielsweise Rezepte mit den entsprechenden Zutaten verteilt, deren Umsetzung im Josefsheim TV detailliert erklärt wurde,“ berichtet Fachleiterin Leonie Köpp, die mit ihren Kolleginnen die Projektidee federführend und professionell umsetzt.
Begleitende Kurzinterviews: „Corona hat den Berufsalltag total verändert“
Kurzinterview mit Anne Lins, Geschäftsfeldleiterin in der Werkstatt für behinderte Menschen (kurz: WfbM) in Bigge und Lipperode:
Wie und wo haben die Beschäftigten der WfbM während der Corona-Zeit gearbeitet?
Tatsächlich haben rund 150 der 400 Beschäftigte der Werkstätten in Bigge und Lipperode in den Wohngruppen oder Zuhause außerhalb des Josefsheim-Campus an unterschiedlichsten Aufgaben, die auch an einem kleinen Arbeitsplatz verrichtet werden können, seit Beginn der Pandemie gearbeitet. Zudem gibt es in den Werkstätten, beispielweise im Fachbereich Holz oder Elektromontage oder auf dem Franziskushof, sogenannte Notgruppen, die weiterhin in sehr kleinen Teams wie gewohnt ihre Aufträge bzw. Aufgaben erledigen. Die Teilnehmenden der beruflichen Bildung haben wir auf alternativem Wege (z.B. per Post oder Email) mit Bildungsmaterial versorgt.
Waren die letzten Wochen eher ruhig für alle Beteiligten oder wurde die Zeit des Betretungsverbotes zu einer Zerreißprobe, da gewohnte Strukturen weggebrochen sind?
Die Reaktion der Beschäftigten ist immer noch sehr unterschiedlich. Einige genießen es sicherlich, über einen längeren Zeitraum mehr Freizeit zu haben. Und bei vielen gibt es den Wunsch, in der eigenen Häuslichkeit zu arbeiten. Aber ich persönlich habe den Eindruck, dass das Bedürfnis, in geregelte Strukturen zurück zu kehren, immer größer wird, je länger das Betretungsverbot galt.
Wie planen Sie die Wiederaufnahme der Arbeiten im WfbM in dieser Woche? Bleibt alles beim Alten oder werden neue Strukturen notwendig sein?
Wir planen die Wiederaufnahme des regulären Werkstattbetriebes schrittweise. Grundlage hierbei werden die aktualisierten Hygienevorschriften der Landschaftsverbände und der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrt sein, die mir derzeit aber leider noch nicht vorliegen.
Wie haben Sie persönlich die Zeit des Rückzugs im Hinblick auf ihre Tätigkeit im Josefsheim empfunden?
Ich erlebe großes Engagement und Flexibilität an ganz vielen Stellen. Sowohl von Beschäftigten als auch von Mitarbeitenden. Für mich persönlich ist es eine besondere Zeit, da tatsächlich viele Verordnungen, Erlasse und ständige neue Regelungen in die Praxis umgesetzt werden müssen. Daher hoffe auch ich, dass durch den Wiederbetrieb der Werkstätten ein Stück Normalität zurückkehren wird, ohne dabei den gesundheitlichen Zustand unseres Teams zu gefährden.
Kurzinterview mit Teresa Geßner, Leiterin des heilpädagogischen Kindertagestätte Sonnenschein auf dem Campus des Josefsheim Bigge:
Wird die Notbetreuung im Heilpädagogischen Kindertagesstätte genutzt?
Ja, seit Beginn des Betretungsverbotes von Kindertagesstätten im März bieten wir eine Notbetreuung für Kinder an, bei denen ein Elternteil in systemrelevanten Berufen tätig ist. Seit Beginn nutzen einige Kinder diese Möglichkeit dieser Kinderbetreuung.
Wie halten Sie Kontakt zu den Eltern und Kindern, die ihr Team seit nunmehr acht Wochen nicht gesehen hat?
Die Eltern werden regelmäßig von uns angerufen. Jede Mitarbeiterin ist telefonisch oder per Mail bei Fragen und für den wichtigen Austausch mit jeder einzelnen Familie erreichbar. Darüber hinaus gibt es einen großen Emailverteiler, über den wir regelmäßig kreative Ideen, Anregungen und entwicklungsfördernden Aktivitäten für Zuhause anbieten. Eltern werden zudem kontinuierlich über Erneuerungen der Corona-Verordnungen und deren Umsetzung in der Kita Sonnenschein auch über die Homepage informiert.
Was erhoffen Sie sich für die nächste Wochen, in der Betreuung weiterhin nur eingeschränkt möglich sein wird?
Trotz aller Corona-Schutzmaßnahmen erhoffe ich mir, dass die Kinder bald wieder „einsteigen“ dürfen und die Kita Sonnenschein regelmäßig besuchen können. Alle Kinder benötigen klaren Strukturen und Förderangebote. Denn vereinzelt spiegeln uns Eltern, dass sie Zuhause beim Spagat zwischen Betreuung, Homeoffice und Alltagsaufgaben an die eigene Belastbarkeitsgrenzen geraten.
Wieviel Kinder verlassen im Sommer die Einrichtung? Wie planen Sie deren Abschluss?
Drei Kinder verlassen im Sommer die Kindertagesstätte. Der Rahmen der Abschlussfeier ist leider noch nicht planbar. Wir befinden uns zu einem noch in der Phase der Ideensammlung, zum anderen wird die Gestaltung der Feierlichkeiten maßgeblich von den offiziellen Verordnungen abhängig sein.
Alle Fotos: © Josefsheim Bigge
Quelle: Ulrike Becker – Josefsheim Bigge