Laut einer Umfrage befürwortet die Bevölkerung Maskenpflicht und Schulunterricht, aber keine Fans in den Stadien
brilon-totallokal: Sie ist weiterhin hoch, die Zustimmung zu den Lockdown-Maßnahmen der Bundesregierung: Das fand ein Forschungsteam der Universitäten Freiburg und Stuttgart in einer Studie heraus. Im Zeitraum vom 29. Oktober bis zum 9. November 2020 befragten sie bundesweit 7.881 Personen online zu ihren Erfahrungen und Einstellungen in der Corona-Pandemie, nachdem im Mai 2020 an einer ersten Befragungsrunde knapp 10.000 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen hatten. Die Ergebnisse stellen Prof. Dr. Uwe Wagschal, Dr. Sebastian Jäckle, Dr. Eva-Maria Trüdinger und Dr. Achim Hildebrandt nun vor: Lediglich 30,5 Prozent der Befragten halten die Regierungsmaßnahmen demnach für übertrieben – im Vergleich zur Mai-Umfrage ist dies ein leichter Rückgang. Und nur 24,5 Prozent sind der Meinung, dass jeder und jede selbst über den Umgang mit Corona entscheiden sollte.
Jedoch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Anhängerinnen und Anhängern der einzelnen Parteien. Während die Anhänger von CDU/CSU, SPD, Grüne sowie Linke sich sehr deutlich für die Corona-Maßnahmen aussprechen, zeigt sich bei den Anhängern der FDP sowie der AfD und den Protestgruppen wie „Widerstand 2020“ eine klare Ablehnung. Aber auch Nichtwählerinnen und Nichtwähler lehnen zu einem überwiegenden Teil die Maßnahmen ab. Daraus folgert das Forschungsteam: Wie in den USA scheint die Bevölkerung polarisiert zu sein, allerdings längst nicht so stark.
Insgesamt werden die einzelnen Maßnahmen zur sozialen Distanzierung differenziert beurteilt. Während die große Mehrzahl der Befragten gegen Fußball-Bundesligaspiele mit Fans im Stadion ist und auch Familienfeiern nur im engsten Kreis befürwortet, ist die Bevölkerung etwas offener, wenn es um Bars und Kneipen geht: Hier ist immerhin mehr als ein Viertel für eine Öffnung ohne Einschränkungen. Wichtig ist für die meisten jedoch, dass Schulen weiterhin offenbleiben und dort der Unterricht stattfindet. Über die Hälfte der Befragten ist für Präsenzunterricht, während nur etwas mehr als 20 Prozent Onlineunterricht bevorzugen. Noch deutlicher wird der Wunsch nach Präsenzunterricht, wenn Familien mit Kindern betrachtet werden. Bei ihnen liegt die Befürwortung für offene Schulen bei mehr als 61 Prozent, bei Familien mit mehreren kleinen Kindern sogar bei über 75 Prozent.
Wie die Forschenden ausführen, deutet auch das eigene Verhalten auf eine Unterstützung der Regierungsmaßnahmen hin: Immerhin 59 Prozent der Befragten nutzen die Corona-App. Im Juli ergab eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom noch eine Nutzung von 53 Prozent, wobei in der Zwischenzeit die Downloads nochmals gestiegen sind. Während Männer die App etwas häufiger nutzen als Frauen, tragen diese öfter eine Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit (88,8 zu 81,4 Prozent, insgesamt 85,0 Prozent). Frauen haben während der Krise überdies ihre Kontakte noch etwas stärker eingeschränkt als Männer (87,4 zu 82,4 Prozent, insgesamt 84,9 Prozent).
Wie soll die Corona-Krise wirtschaftlich und finanziell bewältigt werden? Hierzu fragten die Forschenden, inwieweit schon von der Politik beschlossene sowie mögliche andere Maßnahmen sinnvoll oder nicht sinnvoll seien. Die Mehrheit hat eine klare Vorstellung davon, wer für die Kosten der Pandemie aufkommen soll: Mehr als 56 Prozent der Befragten halten demnach eine Vermögensabgabe für Reiche für sehr sinnvoll – das sind über fünf Prozentpunkte mehr als in der Mai-Umfrage. Dagegen sehen nur knapp vier Prozent generelle Steuererhöhungen als sehr sinnvoll und 29 Prozent als teilweise sinnvoll an. Auch der Verkauf des staatlichen „Tafelsilbers“ wie Gold- und Devisenreserven findet wenig Zustimmung, genauso wie eine erhöhte Schuldenaufnahme oder eine Wiedereinführung des Solidaritätszuschlags für alle, die gerade einmal rund 16 Prozent der Befragten für sehr sinnvoll erachten. Besonders viel Zustimmung hingegen zeigt sich für die in der Corona-Krise eingeführten Maßnahmen wie die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes sowie die nicht rückzahlbaren Zuschüsse für Soloselbstständige.
Neben den ökonomischen Maßnahmen fragte das Forschungsteam auch nach der Akzeptanz der Maßnahmen zur Eindämmung und Begrenzung der Pandemie. Die höchste Zustimmung erzielte dabei die Einführung einer generellen Maskenpflicht. Auffällig im Vergleich zur Umfrage im Mai ist der Studie zufolge dagegen der deutliche Rückgang der Zustimmung bei einzelnen konkreten Maßnahmen zur sozialen Distanzierung. Die Einstellung zum Thema Schulschließungen hat sich am stärksten verändert. Mittlerweile sind nur noch 27,1 Prozent dafür, Kindergärten und Schulen zu schließen, während dies im Mai noch 66,1 Prozent waren. Auch Grenzschließungen, die Abriegelung von Gemeinden, Geschäftsschließungen und Kontaktsperren verlieren deutlich an Zustimmung.
Bei der Bewertung der Arbeit von Bundesregierung, Landesregierung und des eigenen Bürgermeisters beziehungsweise der eigenen Bürgermeisterin gibt es einen eindeutigen Sieger: die Bundesregierung. Attestieren 39,4 Prozent der Befragten der Bundesregierung allgemein, eine gute Arbeit geleistet zu haben, sind 56,6 Prozent mit der Bundesregierung in der Corona-Krise sehr zufrieden oder eher zufrieden. Nur 29,4 Prozent hingegen sind mit ihrer Arbeit unzufrieden. Mit den örtlichen Bürgermeistern ist rund die Hälfte der Befragten eher beziehungsweise sehr zufrieden, wobei es keine Unterschiede zwischen der allgemeinen Bewertung und der Bewertung der Leistung in der Corona-Krise gibt. Am schlechtesten schneiden die Landesregierungen ab: Nur 45,8 Prozent sind mit der Arbeit ihrer Landesregierung in der Corona-Krise zufrieden. Besonders gut kommen dabei die Landesregierungen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein weg. Besonders schlecht werden dagegen die Landesregierungen im Saarland, in Berlin, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen bewertet.
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Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg