Kritik von Unternehmen, Bürgermeister und Wirtschaftsförderer an aktueller Pandemie-Politik / Botschaft: Existenzen stehen auf dem Spiel
brilon-totallokal: Mit wenig Hoffnung, dafür aber mit zunehmend großer Sorge haben die Unternehmerinnen und Unternehmer fast aller Branchen in Winterberg sowie die Touristiker und die Verwaltungsspitze im Winterberger Rathaus auf die Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Länderchefs in Sachen „Lockdown light“ am vergangenen Mittwoch geschaut. Die Befürchtungen, dass die Lockdown-Maßnahmen für Gastronomie und Hotellerie sowie für die Freizeit-Branche und Dienstleister zum Ende des Monats November nicht gelockert, sondern bis mindestens Weihnachten verlängert und teilweise verschärft werden, haben sich bestätigt. Hinzu kommt die große Unsicherheit in vielen Branchen angesichts der Frage, ob und wann ein Betrieb überhaupt wieder möglich sein wird. Grund genug für Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann sowie Wirtschaftsförderer Winfried Borgmann zu einem lokalen Winter-Gipfel mit Vertretern der besonders betroffenen Branchen sowie der Kreditinstitute, der IHK und des Sauerland Tourismus e.V. am Freitag in die Stadthalle unter Einhaltung aller Hygiene-und Abstandsregeln einzuladen. Das Ergebnis: KlareBotschaften und Forderungen! Ein eindringliches Schreiben mit diesen eindeutigen Appellen wird nun sowohl an die Landes- als auch an die Bundesregierung vorbereitet und auf den Weg gebracht.
Ewiges „Hin und Her der Politik“ nicht mehr zu tolerieren
Die Resonanz war groß am Freitag, ebenso die Zukunftssorgen und die Frustrationbei den Beteiligten. Dementsprechend deutlich waren auch die Appelle und Forderungen an die Bundes- und Landespolitik. So wurden u.a. ein klares Corona-Konzept für die kommenden Wintermonate sowie langfristige Strategien beim Thema Wintersport, Gastronomie, Handel und Hotellerie für eine maximal mögliche Planungssicherheit gefordert! Das ewige Hin und Her sei nicht mehr zu tolerieren, beunruhige sowohl Unternehmer als auch Arbeitnehmer und wirke sich auf die Investitionsfreudigkeit aus. Zudem, so der Tenor, müsse nun zügig und unbürokratisch die Novemberhilfe, die seit Mittwochbeantragt werden kann, sowie die angekündigte Dezemberhilfe an die Betriebe fließen, um Existenzen in Winterberg zu sichern. Ein weiteres wichtiges Thema war die Frage, ob und wann die für Winterberg so wichtige Wintersport-Saison starten kann.
Hotellerie, Handel und Handwerk mit Zukunftssorgen
In der Hotellerie und bei den Übernachtungsbetrieben herrscht neben der Abhängigkeit vom Winter-Tourismus nach wie vor Unklarheit darüber, welche Übernachtungen insbesondere über die Weihnachtsferien möglich sein könnten oder nicht. „Wir haben Winterberger Spirit im Umgang mit der Krise bewiesen. Es ist ein Wechselbad der Gefühle in der Hotellerie. Dies hat auch Auswirkungen auf die Stimmung im Personal. Wir müssen die Mitarbeiter mitnehmen, ihnen Perspektiven geben, um das Personal halten zu können in der Branche. Es braucht einen verdammt lauten, schnellen undnachhaltiger Auftritt, dass es uns gibt und nicht nur Ischgl oder Bayern“, so Jörg Templinin seiner Funktion als Vertreter und Sprecher der Winterberger Hotellerie. Trotz der Möglichkeit zu öffnen ist auch der Winterberger Handel von harten Umsatz-Einbußen betroffen. Dies machte der Sprecher der Einzelhändler, Marcel Pauly, deutlich: „Nach der Vollbremsung im Frühling war es ein wirklich toller Sommer. Maskenpflicht und Hygieneauflagen signalisieren: Einkaufen ist sicher. Vor dem zweiten Lockdown waren Stimmung und Motivation gut, jetzt im November haben wir 80 Prozent Umsatz-Einbußen!“ Nun komme der Dezember als sonst umsatzstärkster Monat. 60Prozent des Innenstadthandels seien bei den aktuellen Rahmenbedingungen in Gefahr, unter finanziellen Gesichtspunkten lohne das Öffnen in Winterberg derzeit trotz einiger Aktionen wie Weihnachtsshopping oder Fenster-Adventskalender eigentlich nicht. „Umso wichtiger ist ein Appell an Ministerpräsident Armin Laschet mit der Botschaft, wie wichtig das Zusammenspiel vonTourismus und Einzelhandel in Regionen wie Winterberg ist.“
14-tägiger Schwebezustand für Unternehmen unhaltbar
Langfristig negative Konsequenzen der Pandemie-Politik inklusive dann eventuell nicht mehr vorhandener Finanzhilfen befürchtet das Winterberger Handwerk. Lieferschwierigkeiten beim Rohmaterial sowie willkürliche Quarantäne-Situationen erschweren die Abarbeitung der zurzeit guten Auftragslage. „Ich bin sehr dankbar für den Mut der Kunden zu investieren“, so Jürgen Bröker für die Handwerks-Branche. Beim aktuellen Ausblicksei künftig aber Zurückhaltung und ein Auftragsloch zu erwarten.
„Die am Mittwoch getroffenen Entscheidungen sind für unsere touristisch geprägte Stadt sowie für die davon betroffenen Betriebe und Branchen ein schwerer Schlag“, betonten Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann und Wirtschaftsförderer Winfried Borgmann. Am Ende sei auch die Stadt Winterberg massiv betroffen, „brechen doch Gewerbesteuereinnahmen oder Einkommens-und Umsatzsteueranteile, die der Stadt Winterberg zufließen, weg. Dies hatdann wieder Auswirkungen auf mögliche kommunale Investitionen“, so Beckmann weiter.Kaum eine Kleinstadtin NRW sei von den Regelungen so existenziell betroffen wie Winterberg. Deshalb war nicht nur der gegenseitige Austausch Ziel des Winter-Gipfels. Vielmehr ging es darum, „gemeinsam die Stimme zu erheben, zusammen klare Forderungen zu formulieren und die weitere Vorgehensweise abzustimmen“. Dies ist gelungen, schließlich wurde bei den Stellungnahmen aus den besonders betroffenen Branchen wie Gastronomie und Hotellerie, Freizeit, Handel und Dienstleistung sowie Wintersport nicht nur deutlich, dass die Situation für viele Betriebe existenzbedrohend ist.
Winterbergs gute und vielfältige Infrastruktur erhalten
Kritik hagelte es am Schwebezustand, den die Politik den Betrieben seit Wochen zumuten. Es dürfe nicht sein, dass gerade die Betriebe, die in Winterberg branchenübergreifend sehr gute und funktionierende Hygiene-Konzepte erarbeitet und umgesetzt haben bzw. diese Konzepte umsetzen können und möchten in der Wintersaison, keinen klaren Kompass seitens der Politik erhalten. Da brauche es nun dringend Klarheit und Hilfe, schließlich seien in der Konsequenz auch alle anderen Branchen in Winterberg davon abhängig, so der einhellige Tenor. Dies unterstrich Christoph Klante vom Skiliftkarussell Winterberg mit dem Hinweis, dass detaillierte Konzepte für jeden Bereich der Wintersport-Branche vorliegen, eine sechsstellige Summe dafür investiert worden sei ohne drüber nachzudenken, ob es sicheren Wintersport geben könne. „Fällt die Wintersport-Saison aus, wird Winterbergs Infrastruktur insgesamt darunter leiden.“ Winterbergs Skigebiete seien grundsätzlich anders aufgestellt als zum Beispiel die in Ischgl und daher absolut nicht vergleichbar.
Eine Blaupause in Sachen funktionierender Hygiene-und Abstandskonzepte für die Wintersport-Unternehmen haben im Sommer die Freizeitbetriebe geliefert. Sie haben bewiesen, dass die Konzepte, die ständig den jeweils aktuellen Rahmenbedingungen angepasst wurden, auch bei größeren Gästezahlen funktionieren. Dies betonte Nico Brinkmann stellvertretend für die Freizeit-Dienstleister in Winterberg und den Dörfern.
Beckmann: „Müssen ein Signal setzen, das im gesamten Sauerland wirkt!“
„Was wir brauchen, sind klare Aussagen und Entscheidungen seitens der politischen Entscheidungsträger. Es kann nicht sein, dass wir uns im 14-tägigen Rhythmus bewegen und heute niemand wirklich weiß, wie Weihnachten und Silvester, geschweige denn die kommende, für uns immens wichtige Wintersaison gestaltet werden können unter den jeweils möglichen Rahmenbedingungen. Das wird uns sonst Existenzen und damit auch Arbeitsplätze kosten. Wir brauchen die Umsätze aus der Wintersaison für alle Branchen, wenn wir Winterberg insgesamt weiterentwickeln sowie weiter liebens-und lebenswert halten wollen. Wir sind die Nummer 1 im Sauerland, wir müssen jetzt und hier ein Signal senden, das im gesamten Sauerland wirkt“, betonte Michael Beckmann mit klaren Worten.
Zumal, wie am Freitag mehrfach angesprochen, die für Winterberg in der Region einmalige Branchen-und Unternehmensvielfalt auf dem Spiel stehe. Auch Winterbergs Wirtschaftsförderer Winfried Borgmann redete Klartext. So sei es nicht zu akzeptieren, dass die zugesagten November-Hilfen noch immer nicht geflossen seien. „Diese finanzielle Unterstützung ist für viele Betriebe besonders bei uns in einer stark touristisch geprägten Unternehmens-Landschaft von existenzieller Bedeutung. Dies gilt auch für die geforderten Dezember-Hilfen. „Nur so können wir Insolvenzen verhindern und Arbeitsplätze sichern. Nur so können die Unternehmen Konzepte entwickeln und sich zukunftsfähig in einer wirtschaftlichen Krise aufstellen.“
Unterstützung von IHK und Sauerland Tourismus
Das Ziel des Winter-Gipfels, mit einer Stimme auf die ernste Situation Winterbergs und seiner Ortschaften nicht nur aufmerksam zu machen bei den politischen Entscheidungsträgern in Düsseldorf und Berlin, sondern darüber hinaus deutlich mehr und schnellere Unterstützung sowie Planungssicherheit zu fordern, wurde am Freitag jedenfalls erreicht. Unterstützt wurde dies auch von Thomas Frye und André Berudevon der IHK sowie vom Chef des Sauerland Tourismus, Thomas Weber, die nicht nur Verständnis für die Sorgen und Forderungen formulierten, sondern jeweils auch Unterstützung signalisierten. „Wenn man in einer Krise sitzt, hat man in der Regel was falsch gemacht. Haben wir aber nicht. Wir sind nicht ignorant, sondern wollen respektvoll gehört werden. Die Übernachtungszahlen im Sauerland haben einen Knacks bekommen. Aber der Naturtourismus funktioniert, dies haben wir geschafft. Das Image des Sauerlandes hat sich gut entwickelt dank der Investitionenin den und durch den Tourismus. Kleine, mittelständische Unternehmen müssen handlungsfähig sein und bleiben.Bleiben Sie zuversichtlich, wir kriegen das hin“, so Thomas Weber.
Michael Beckmann und Winfried Borgmann zeigten sich zufrieden mit dem Winter-Gipfel, der ein weiterer wichtiger Mosaikstein der gemeinsamen Unternehmungen sei, Winterberg und seine Ortschaften gut durch die Krise zu steuern sowie klare Zeichen in Richtung der Politik zu senden. „Wir setzen weiterhin alle Hebel in Bewegung, um die Unternehmen und Menschen in unserer Stadt zu informieren, im Dialog zu bleiben und sie intensiv zu unterstützen. Dies ist und bleibt so auch in den kommenden Wochen und Monaten. Den Appell, den wir jetzt auf den Weg bringen, werden wir kurzfristig mit den im Rat der Stadt Winterberg vertretenen Fraktionen abstimmen, um überparteilich und im Konsens auf die besondere Situation hinzuweisen“, so Michael Beckmann abschließend.
Nach diesem lokalen Gipfel liegt der Ball nun aber erstmal auf Seiten der Politik in Düsseldorf und Berlin.
Bild: Gut besucht unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln war der Winter-Gipfel in der Stadthalle Winterberg.
Fotoquelle: WTW!
Quelle: Ralf Hermann – Winterberg Touristik und Wirtschaft