Die Ukraine wird wohl Leopard-Panzer erhalten – Werden Panzer also die Wende in diesem Krieg bringen?

Für den ukrainischen Außenminister Kuleba ist die Sache ganz einfach: Je schneller sein Land schwere westliche Panzer wie den Leopard erhält, „umso eher endet dieser Krieg mit einem Sieg der Ukraine“.

Klaus Schrotthofer: Ein Krieg, der nicht zu gewinnen ist¶

Man wird dem Wunsch der Ukraine wohl folgen. Auch der deutsche Kanzler wird sich der internationalen Dynamik kaum entgegenstellen. Keine Alleingänge, das wird auch hier gelten. Werden Panzer also die Wende in diesem Krieg bringen? Man darf daran Zweifel haben. Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Forderung nach Leoparden und ähnlichem Gerät weitere folgen werden. Schon jetzt ist von Kampfjets die Rede.

Die naheliegende Frage lautet: Will man diesen Krieg beenden oder will man ihn gewinnen?

Und: Kann man das eine oder das andere? Militärische Optionen sind begrenzt Der Mut der Ukrainer und die Unterstützung des Westens, auch mit Waffen, haben verhindert, dass Putins Truppen nach Kiew durchmarschieren konnten. Doch seit einigen Monaten hat sich trotz wechselseitiger Erfolgsmeldungen am Status quo wenig Entscheidendes verändert. Die Russen halten die südliche Landbrücke zur Krim und befestigen dort ihre Stellungen. Die Ukraine wird zwischenzeitlich durch russische Raketen Jahrzehnte zurückgebombt – wichtige Teile der Versorgungsinfrastruktur sind zerstört oder beschädigt. Ist es realistisch anzunehmen, dass eine ukrainische Panzer-Armee nun im Frühjahr über den Dnepr setzt und Russlands Truppen dort vollständig besiegt?

Ganz abgesehen davon, dass Putin noch immer über die Möglichkeit verfügt, Hunderttausende weitere Soldaten zu mobilisieren:

Wie realistisch ist es zu glauben, dass er eine militärische Niederlage akzeptieren würde, ohne vorher weitere, vernichtende Waffen einzusetzen? An die 20.000 ukrainische Zivilisten wurden nach UN-Angaben bislang getötet oder verletzt, mehr als 100.000 Soldaten sind wohl auf beiden Seiten gefallen.

Wie viele Opfer soll es noch geben?

Es ist offensichtlich, dass Putin nicht verhandeln will. Umso befremdlicher ist es, wie wenig ernsthaft darüber gesprochen wird, wie man ihn dazu zwingen kann. Wenn die militärischen Möglichkeiten angesichts des russischen Nuklearpotenzials begrenzt sind, wird nur eine weitere wirtschaftliche Schwächung und eine umfassende internationale Isolierung den nötigen Druck entfalten können. Der Weg dorthin führt über Schlüsselstaaten wie China oder Indien, die noch immer eine bestenfalls neutrale Position einnehmen und Russland im Handel mit Rohstoffen, Wirtschaftsgütern und Hochtechnologie weiterhin die Tür zur Welt offenhalten. Auch in Afrika und Südamerika wird unsere Sicht auf Russland und diesen Krieg keineswegs überall geteilt.

Bundeskanzler Scholz war bislang einer der wenigen Regierungschefs, die auf höchster Ebene in Peking Fortschritte erzielt haben.

Das wird nicht reichen – und man wird den Chinesen und anderen auch mehr anbieten müssen als die gängigen Belehrungen über westliche Werte, damit sie auf strategische oder ökonomische Vorteile verzichten. Zugleich muss vorbereitet werden, wie – im besten heute anzunehmenden Fall – ein Einfrieren der jetzigen Situation in der Ukraine organisiert werden könnte. Wer kann eine Vermittlerrolle einnehmen? Gibt es Möglichkeiten, etwa mit einem Mandat und Truppen der UN, perspektivisch faire Wahlen über den Status der Donbass-Region zu organisieren? Wer kann und will welche Sicherheitsgarantien übernehmen, um die Ukraine in einer Zukunft nach diesem Krieg vor weiteren russischen Aggressionen zu schützen? Schwer bewaffnete Poker-SpielerEs gibt zahlreiche politische Ansätze, um der Beendigung dieses Krieges näherzukommen.

Sie sind allesamt mühsam und kompliziert, und die Erfolgsaussichten sind ungewiss.

Wer politische Führung aber an der Frage misst, wer wie schnell die größten Waffen liefert, reduziert Politik auf militärische Logik und macht Politiker zu schwer bewaffneten Poker-Spielern. Diese Perspektive ist endlich, will man nicht irgendwann alles auf eine Karte setzen. Deshalb muss verantwortliche Politik neben den militärischen endlich mit Nachdruck politische Optionen eröffnen. Man nennt das Realpolitik.

Quelle: Neue Westfälische, News Desk
Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

Fotocredit: AdobeStock 451144668

 

 

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