50 Jahre Ruhrgütebericht – Ein programmatischer Ansatz zum Trinkwasser- und Gewässerschutz für Mensch und Natur

Ruhrverband und AWWR präsentieren 50. Jubiläumsausgabe des Ruhrgüteberichts

Anlass zur Veröffentlichung des ersten Ruhrgüteberichts war die 1973 erschienene Denkschrift „Die zunehmende Gefährdung der Trinkwasserversorgung aus der Ruhr“. Damals war die Ruhr hinsichtlich der Entnahmemengen und der Wasserqualität an ihrer Belastungsgrenze. Die ersten Ruhrgüteberichte beschrieben die Ruhr als „hocheutrophes Gewässer mit entsprechenden Sekundärverunreinigungen“. Neben dem Phosphatgehalt standen die Stoffe Mangan, Ammonium und Cadmium im Fokus. „Die Zeiten eines hocheutrophen Gewässers sind lange vorbei. Heute ist die Ruhr ein Gewässer mit bester Qualität für die Natur und die Trinkwassergewinnung für 4,6 Millionen Menschen. Dies ist auch dem Ruhrgütebericht zu verdanken, der uns Jahr für Jahr den Spiegel vorhält und mit vielen Daten und Fakten die Wirkung von getroffenen Maßnahmen hinterfragt und neue Maßnahmen zum Schutz der Gewässer begründet.“ Das unterstrichen Prof. Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands, und Bernd Heinz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR), bei der gemeinsamen Vorstellung der 50. Jubiläumsausgabe des Ruhrgüteberichts am 11. September 2023 in Essen.

Rückblick auf 50 Jahre Ruhrgütebericht

Schon im zweiten Jahrzehnt von 1983 bis 1992 waren deutliche Verbesserungen der Ruhrwassergüte zu verzeichnen. Die Cadmiumbelastung sank um 90 %. Die Radioaktivität, die zu diesem Zeitpunkt bereits stark rückläufig war, wurde durch den Reaktorunfall in Tschernobyl wieder zu einem Thema. Problematische Entwicklungen zeigten sich beim Nitratgehalt sowie bei dem Totalherbizid Diuron. Diese Belastungen sind stark zurückgegangen und stellen heute keine Herausforderung mehr da. 1991 startete der Ruhrverband mit einem Ausbauprogramm für die Ertüchtigung der Kläranlagen im Verbandsgebiet, das bis 2005 dauern und 1,6 Milliarden Euro kosten sollte. „Durch den Bau von Reinigungsstufen zur Entfernung von Phosphor und Stickstoff auf allen Kläranlagen haben wir die Nährstoffgehalte der Ruhr deutlich gesenkt. Heute sind
Gewässer wieder in einem guten bis sehr guten stofflichen und saprobiellen Zustand“, unterstreicht Norbert Jardin

Im Jahrzehnt 1993-2002 gingen die Schwermetallbelastung deutlich zurück. Heute spielen sie bis auf eine geologisch bedingte Grundbelastung keine Rolle mehr. Dafür rückten synthetische Komplexbildner und Arzneimittelrückstände als neue Substanzgruppen erstmals in den Fokus. Zeitgleich wurden durch neue Analysenmethoden erhebliche Fortschritte insbesondere bei den Nachweisgrenzen erzielt. Im Jahrzehnt 2003-2012 erhielten durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie gewässerökologische Aspekte einen deutlich höheren Stellenwert. Im Jahr 2006 wurde erstmals PFT im Einzugsgebiet der Möhnetalsperre nachgewiesen. In der Folge wurden verschiedene Projekte zur weitergehenden Aufbereitung in den Wasserwerken und zur weitergehenden Abwasserreinigung auf Kläranlagen initiiert. Die PFT-Belastung der Ruhr ist heute wieder äußerst
gering. Im Baldeneysee trat erstmals im Jahr 2008 eine Massenentwicklung der Wasserpflanze Elodea auf. Sie ist eine Folge der verbesserten Wasserqualität und des mittlerweile klaren Wassers der Ruhr. 2017 konnte die erste offizielle Badestelle in der Ruhr in Essen freigegeben werden und 2022 eine zweite bei Bochum-Dahlhausen. Rückblickend auf die letzten 50 Jahre ist der Anteil an Störfällen deutlich zurückgegangen. Waren es von 1983 bis 1992 im Durchschnitt 22 gemeldete Störfälle, so reduzierte sich diese Anzahl im letzten Jahrzehnt (2013 – 2022) auf bis zu drei im Jahr. Erfreulich ist, dass Ursachen oder Verursacher bei Gewässerverunreinigungen mittlerweile meist ermittelt werden. Der kurze Rückblick zeigt, dass sich Ruhrverband und AWWR immer wieder aktuellen Herausforderungen stellen müssen und mit Beharrlichkeit Lösungen zur weiteren Verbesserung der Wasserqualität schaffen.

Ausblick

Das Jahrzehnt 2013-2022 war das trockenste und abflussärmste der letzten 50 Jahre, weswegen seit 2018 jedes Jahr der Mindestabfluss auf Antrag des Ruhrverbands reduziert werden musste. Angesichts dieser spürbaren Effekte des Klimawandels wird auch der Ruhrverband seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. „Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle gesagt, dass wir bis zum Jahr 2024 genau so viel elektrischen Strom aus erneuerbaren Energien selbst zu erzeugen, wie wir für die Erfüllung unserer Aufgaben benötigen. Dieses Ziel haben wir schon jetzt erreicht. Der Ruhrverband wird in diesem Jahr erstmals energieneutral sein“, erklärt Norbert Jardin. Der Essener Wasserverband verringert damit seine CO2-Emissionen und leistet angesichts der immens gestiegenen Energiekosten einen wichtigen Beitrag zu stabilen Abwassergebühren. Das nächste Ziel wurde bereits formuliert: Der Ruhrverband will im nächsten Jahrzehnt eine ausgeglichene Klimabilanz vorweisen. Auch beim Gewässerschutz wird es keinen Stillstand geben. In den nächsten Jahren wird der Ruhrverband insbesondere Kläranlagen aus- und umbauen, die in kleine, leistungsschwache Gewässer einleiten.

Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR)

Heute sind offene Daten und Transparenz in der Wasserversorgung bewährter Status quo, um nachhaltig eine hohe Trinkwasserqualität zu sichern. Vor 50 Jahren herrschte eine restriktivere Grundhaltung, die der Ruhrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) mit dem ersten Ruhrgütebericht durchbrachen und hiermit eine frühzeitige Sensibilisierung für die Gewässerqualität im Ruhreinzugsgebiet auf den Weg brachten. Die Berichterstattung hat sich über die Jahre stark ausgeweitet und umfasst mehr Wasseranalysendaten sowie ergänzende Themen zu Qualität, Menge, Innovationen und Nachhaltigkeit. Trinkwasser aus der Ruhr besitzt ein hohes Kundenvertrauen – dies hat der Ruhrgütebericht (RGB) maßgeblich mit aufgebaut. „Wir wollen dies gemeinsam mit dem Ruhrverband fortentwickeln, um für die künftigen Generationen weiter transparent und vorausschauend bestes Trinkwasser aus dem Gesamtsystem Ruhr sichern zu können“, so Bernd Heinz, Vorsitzender der AWWR, mit Blick auf die diesjährige Jubiläumsausgabe. Und weiter: „Gemeinsam setzen wir uns für hohe Gewässerqualität, sichere Mengenverhältnisse und nachhaltige Lösungen für den Wasserkreislauf ein. Mit dem Zero-Pollution-Act der EU, der nationalen Wasserstrategie, der neuen Trinkwasserverordnung und der anstehenden Überarbeitung der kommunalen Wasserversorgungskonzepte sind wegweisende Schritte zur langfristigen Sicherung der elementaren Lebensressource Wasser definiert. Die komplette Realisierung wird Zeit beanspruchen, aber es ist das zukunftsorientierte Fundament der Trinkwasserversorgung unserer Kinder.“

Wassergüte / Trinkwasserqualität

Neben den Analysedaten des Ruhrverbands zur Ruhr und ihrer Nebengewässer erfolgte im Jahr 2022 auch wieder das jährliche AWWR-Monitoring auf nun insgesamt 61 organische Spurenstoffe im Oberflächenwasser der Ruhr. All diese Untersuchungen sichern die gute Qualität des Trinkwassers für die insgesamt rund 4,6 Millionen Menschen, die im letzten Jahr mit rund 238 Mio. m³ Trinkwasser von den AWWR-Mitgliedsunternehmen versorgt wurden. Mit den Vorbereitungen auf die Anforderung der neuen Trinkwasserverordnung mit teils neuen Qualitätsparametern, niedrigeren Grenzwerten sowie einem risikobasierten Ansatz, die am 24. Juni 2023 in Kraft trat, hat die AWWR bereits 2022 begonnen. Die Umsetzung bedeutet für die Wasserwerke Mehraufwand für Analytik, Dokumentation und Kundeninformation. Aufgenommen wurden als neue Parameter Bisphenol A, Chlorat, Chlorit, Halogenessigsäuren (HAA-5), Microcystin-LR und PFAS. Des Weiteren ist nun eine Beobachtungsliste für neu auffällige Spurenstoffe eingeführt, um bei Bedarf schneller reagieren zu können. Strengere Grenzwerte wurden für Blei, Chrom und Arsen eingeführt. Bernd Heinz: „Nach unserer Ersteinschätzung halten die Ruhrwasserwerke die neuen Grenzwerte sicher ein. Aber wir müssen bei etlichen Spurenstoffen die Produzenten viel mehr in die Pflicht nehmen, sonst haben wir in der Zukunft Probleme, die jetzt noch vermeidbar wären.“

Erneuerbare Energien in den Ruhrwasserwerken

Für die Wasserwerke an der Ruhr bleibt es ein gemeinschaftliches Daueranliegen, für ein noch klimafreundlicheres Trinkwasser ihren CO 2-Fußabdruck weiter zu verringern und ökologische Verbesserungen in ihren Werken umzusetzen. Die Energie-Einsparpotenziale wurden nahezu ausgeschöpft, der Ausbau der Erneuerbaren ist in vollem Gange, um den Strombedarf in den Wasserwerken in noch größerem Umfang aus regenerativen Energien selbst zu erzeugen.

Stau- und Wasserkraftanlagen

Die meisten Wasserwerke an der Ruhr betreiben Stauanlagen. Dadurch verbessert sich das nutzbare Wasserdargebot im Grundwasserleiter (Uferfiltrat). Durch das Aufstauen kann das Ruhrwasser in der Regel ohne Pumpen in das Wassergewinnungsgelände geleitet und dort versickert werden, was eine signifikante Energieeinsparung bedeutet. Zusätzlich besitzen einige Ruhrwasserwerke Wasserkraftanlagen (WKA), die eine zuverlässige und wirtschaftliche Stromversorgung für die Trinkwasserproduktion garantieren. In 2022 wurden insgesamt 48 Mio. kWh grüner Strom in den WKA der AWWR-Mitgliedsunternehmen erzeugt. Die WKA liefern sichere und saubere Energie aus der fließenden Welle der Ruhr und leisten einen erheblichen Betrag zur CO 2-Minderung. Je nach Wasserführung der Ruhr kann mit dem selbst erzeugten Strom ein großer Anteil des Gesamt-Eigenbedarfs eines Wasserwerks gedeckt werden. Um die potenziell nutzbare Energie zu erhöhen, findet eine Aufstauung durch Wehre statt. Hier liegt der einzige Nachteil der Wasserkraft. Durch diese Querbauwerke wird die ökologische Durchgängigkeit des Gewässers gestört. Wiederhergestellt wird diese durch Fischtreppen, auch Fischaufstiege genannt, wie sie bei den Wasserversorgern der AWWR für alle Wasserkraftanlagen gebaut wurden.

Photovoltaik-Freiflächenanlagen

Neben der Wasserkraft leisten Photovoltaik-Anlagen auf den Wasserwerksgeländen einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Während Dachflächenanlagen schon lange installiert sind, beginnt nun die Zeit der Freiflächenanlagen. Derartige Genehmigungsfragen mit besonderen Anforderungen in den Wasserschutzzonen waren im letzten Jahr noch Neuland und brachten bei der Freiflächenanlage im Wasserwerk Echthausen von Wasserwerke Westfalen einen sehr langen, aufwändigen Prozess mit sich. Doch nun scheint das Eis gebrochen. Sowohl das Wasserwerk Möhnebogen der Stadtwerke Arnsberg als auch das Wasserwerk Fröndenberg-
Menden glänzen durch frisch gebaute bzw. erweiterte PV-Freiflächenanlage. Zukünftig werden jährlich um die 1,5 Mio. kWh grüner Strom mehr durch diese Technologie bei den Wasserwerken an der Ruhr gewonnen. „Freiflächenanlagen in der Wasserschutzzone II zur Eigenversorgung stellen beim aktiven Umbau der Stromversorgung die ‚Königsdisziplin‘ dar“, so Bernd Heinz zu der positiven Entwicklung, die auch durch die Position der AWWR aktiv unterstützt wird:

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Quelle: Text & Bild, Ruhrverband

Bild: Prof. Norbert Jardin (r.), Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands, und Bernd Heinz, Vorsitzender der AWWR, stellten gemeinsam den Ruhrgütebericht 2022 der Öffentlichkeit vor.

 

 

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