Es fehlt ein Plan für den Fall Trump – Raimund Neuß zu den möglichen Folgen eines Machtwechsels im Weißen Haus
Donald Trump ist ein Meister der politischen Kommunikation. Der hochgereckten Faust nach dem gescheiterten Anschlag von Butler in Pennsylvania folgte der Wechsel in die Rolle des Versöhners, der genau jene Spaltung der US-Gesellschaft beklagt, die er selbst jahrelang befördert hatte. Überzeugte Anhänger der Demokraten wird er damit nicht gewinnen können, aber es reicht ja, wenn er seine Basis mobilisiert und für unabhängige Wähler akzeptabel wird, die er bisher vor den Kopf gestoßen hatte.
Der US-Wahlkampf wird zwar auch für weitere Überraschungen gut sein, aber aktuell, nach dem Anschlag von Butler und der Einstellung eines für Trump sehr unangenehmen Verfahrens wegen der Unterschlagung amtlicher Dokumente, sind seine Karten besser denn je. Umso mehr drängt die Frage: Haben wir in den westlichen Partnerländern der USA einen Plan für das, was da mit einem Präsidenten Trump auf uns zukommen könnte?
Beim Rückblick auf Trumps erste Präsidentschaft mag der eine oder andere Beobachter zu dem Schluss gelangen, damals sei doch alles nicht so schlimm gekommen. Es wurde zwar schlimm genug – beim Klimaschutz, beim Handel, in der Nahostpolitik -, aber es gab „Erwachsene im Raum“, den Generalstabschef etwa, die Trump zu bändigen verstanden. Dazu will er es bei einer zweiten Präsidentschaft nicht kommen lassen. Und seine Gefolgsleute im Obersten Gericht haben ihm mit dem Urteil zur Immunität des Präsidenten ein Mittel gegeben, die Gewaltenteilung auszuhebeln, wenn er wieder ins Amt käme. Wer sollte ihn da noch einhegen?
Nicht in einzelnen ideologischen Positionen liegt das Problem, das die Mitwelt mit einem Präsidenten Trump haben würde, sondern in der Unberechenbarkeit des Kandidaten, der spätestens mit den Schüssen von Butler zum Favoriten geworden ist. Statt des schusselig wirkenden, aber äußerst beherrscht agierenden Joe Biden könnte wieder ein Mann an den Freischaltcode für Atomwaffen gelangen, der schon 2018 mit der Größe seines Atomknopfes geprahlt hat. Der der Illusion anhängt, er könne nicht nur die Ukraine, sondern auch Russland zu einem Friedensschluss erpressen. Der die Nato-Bündnisverpflichtung in Frage stellte und damit potenzielle Aggressoren zum Test der Allianz einlud.
Die einzig greifbare Vorbereitung der Partner auf so ein Szenario besteht derzeit darin, dass die Nato mit Mark Rutte einen Mann als neuen Generalsekretär benannt hat, dem nachgesagt wird, er könne gut mit Trump reden. Aber schon die Debatte um den deutschen Verteidigungsetat zeigt, dass die Bundesregierung die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat. Der französische Präsident Emmanuel Macron, selbst durch sein Neuwahl-Abenteuer geschwächt, findet mit seinen Rufen nach europäischer Verteidigungsfähigkeit wenig Gehör. Und so stringent die künftige EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas persönlich auch auftreten mag, wie will sie die außenpolitische Katzenmusik der EU-Partner beenden? Viel Zeit bleibt den Europäern und den übrigen US-Partnern jedenfalls nicht: Am 20. Januar 2025 wird der künftige US-Präsident in sein Amt eingeführt.
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Quelle: Kölnische Rundschau, Raimund Neuß
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