Berliner Morgenpost: Die Zinswende muss warten, ein Kommentar von Dominik Bath zur EZB-Entscheidung
Wer im Supermarkt einkaufen geht, schaut vielleicht ab und an ungläubig auf den Kassenzettel. Günstiger wird’s nicht, auch wenn die Inflationsrate zuletzt nicht mehr stark angestiegen ist wie noch vor zwei Jahren. Zur Erinnerung: Damals lag die Teuerungsrate wegen der Folgen des russischen Einmarschs in der Ukraine zeitweise bei mehr als zehn Prozent.
Nun ist die Zeit der Energiepreisexplosion vorbei, die Inflationsrate auf dem richtigen Weg. Zeit, dass die Zentralbanker weitere Zinssenkungen einleiten, um die Wirtschaft zu beflügeln und mit günstigeren Krediten das Investitionsgeschehen anzukurbeln? So einfach ist die Rechnung nicht. Die Banker der Europäischen Zentralbank (EZB) um ihre Chefin Christine Lagarde machten am Donnerstag erneut unmissverständlich deutlich, dass sie einen weiteren, schnellen Zinssenkungsschritt für verfrüht halten.
Auf keinen Fall will man sich in absehbarer Zeit korrigieren müssen. Das aber müsste wohl passieren, wenn nach sinkenden Leitzinsen die Preiskurve wieder nach oben geht. Ziel der EZB ist eine dauerhafte Rückkehr zu zwei Prozent Inflation. Zuletzt wähnte man sich auf dem richtigen Weg: Im Juni sank die Teuerungsrate im Euroraum leicht auf 2,5 Prozent, nachdem sie im Mai zwischenzeitlich auf 2,6 Prozent gestiegen war. Ein Grund dafür waren auch gestiegene Löhne. Die Notenbank bleibt deswegen vorsichtig, obwohl man im Juni ja den ersten, schüchternen Schritt hin zur Zinswende eingeleitet hatte. Der Weg zurück zu dauerhaft niedrigeren Zinsen aber dürfte zum Geduldsspiel werden. Rückschläge mit Blick auf die Inflation sind nicht ausgeschlossen. Die angespannte Weltlage lässt derzeit kaum andere Schlüsse zu.
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