Norbert Schnellen: „Der Narr spricht die Wahrheit“

Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

brilon-totallokal: „Besoffene und kleine Kinder sagen die Wahrheit!“ Auch dieser Spruch könnte seinen Ursprung im Karneval haben. Denn schon aus dem antiken Rom ist überliefert, dass zum Karneval die Sklaven ihren Herren mal die unverblümte Wahrheit sagen durften. Auch die Hofnarren an den mittelalterlichen Fürstenhöfen durften ihren „Herren“ auch uneingeschränkt die Wahrheit vorhalten (trotzdem war das riskant, manche Fürsten hatten wahrscheinlich einen regen Verschleiß an Narren und einen daraus resultierenden Fachkräftemangel). Und heute? Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass in einer demokratischen Gesellschaft in der es eigentlich keine „die da Oben“ und auch nicht „die da Unten“ mehr geben sollte, selbstverständlich nur noch die Wahrheit gesagt werden kann.

Gerade von der freien Presse erwartet man, dass sie nicht nur zwischen den Zeilen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit verkündet. Doch was ist die Wahrheit? In der ehemaligen Sowjetunion nannte sich das offizielle Parteiorgan (Propagandablatt) der KPDSU „Prawda“, zu deutsch „Wahrheit“. Welche Wahrheiten da verkündet wurden ist inzwischen, aus der historischen Entfernung, eher ein Grund zur Erheiterung.

In der „freien westlichen Welt“ verfügen wir heute über eine Unzahl von Informationsquellen. Fast alle behaupten, dass sie uns die reine Wahrheit verkünden, denn keiner zählt sich selbst zur „Lügenpresse“. Warum liest sich die Wahrheit dann, je nach Medium, so unterschiedlich? Weil „Wahrheit“ vermutlich etwas mit dem Blickwinkel zu tun hat. Je nach Herkunft, Erziehung und Bildung nehmen wir die Wahrheit unterschiedlich wahr. So empfinden wir das, was andere aus ihrer Sicht für die Wahrheit halten, aus unserer Sicht als „unwahr“. Umgekehrt wird es sicher genau so sein, denn laut „wissenschaftlichen Untersuchungen“ lügen wir alle mehrmals am Tag, der eine mehr, der andere weniger. Doch wer sagt uns, dass diese Untersuchungen nicht auch gelogen sind. Also versuchen wir doch wenigstens an den Karnevalstagen mal, in alter Narrentradition, nur die Wahrheit zu sagen, gemäß dem alten Sprichwort: „Trink was Klares, sprich was Wahres!“

Oder wir halten wirklich einmal lieber die Klappe. Prost und Helau!

Teilen Sie diesen Bericht mit Ihren Freunden