Brilon: Was im Leben wichtig ist „Zufriedenheit und Wohlbefinden im Alter“

Brilon-Totallokal: Feines Händchen für filigrane Arbeiten

brilon-totallokal:  Flora und Fauna. Elisabeth Jütte ist Naturfreundin. „Immer schon“, sagt die 94-Jährige: „Ich hab‘ ein Faible für Blumen und Tiere.“ Deswegen hat sie in der Gartensaison ihre zweite Leidenschaft meist ruhen lassen. Elisabeth Jüttes zweite Passion gilt seit Kindheitstagen den Handarbeiten. „Stricken, Häkeln, Gobelin“, zählt die gebürtige Almerin auf. Gobelin: „Der Wandteppich mit den schwimmenden Schwänen vor dem Schilf war mein letztes Werk.“ Das hält Elisabeth Jütte in Ehren. Es schmückt die Wand hinter ihrem Fernsehsessel im Seniorenzentrum St. Engelbert, wo die 94-Jährige seit einem Jahr lebt. Dort wurde ihr Talent (wieder) entdeckt. Sonja Freitag vom Sozialdienst des St. Engelbert-Zentrums sagt: „Kreativität fördert Lebenslust und Zufriedenheit und das gilt für Klein und Groß, Jung und Alt gleichermaßen.“ Elisabeth Jütte nickt zustimmend und ergänzt: „Und es beruhigt.“

Elisabeth Jütte hat in den Kriegsjahren Mütter mit ihren Neugeborenen zur Seite gestanden. „Familienpflege“, sagt sie: „Das war ein wichtiger Dienst, denn wir Frauen mussten zusammenhalten, denn die Männer waren fern im Krieg.“ Ihr Dienst am Nächsten wurde nicht mit Geld entlohnt, sondern mit Textilien aus der sogenannten Aussteuer. „Zum Beispiel Tischdecken aus Seidendamast, wunderschön und für mich wertvoller als Geld“, betont die Rentnerin. Wertschätzung und Begeisterungsfähigkeit helfen, um schwerere Zeiten im Leben zu meistern. An dem Wandteppich mit den Schwänen hat Elisabeth Jütte ganz bewusst und intensiv gearbeitet, als ihr Mann gestorben war. Die Seniorin überlegt, um dann kritisch-heiter einzuwerfen: „Aber ist Knüpfen überhaupt noch in Mode?“ Ja, ist es. Nicht in Form von Wandteppichen, dafür in Gestalt von Freundschaftsbändchen um Handgelenke von Teenagern. „Alles hat seine Zeit“, sagt Jütte, die sich das Handarbeiten selbst beigebracht hat. Auf Stramingewebe hat sie Stillleben aus Christrosen und Sonnenblumen mit Stickgarn aus Schurwolle entstehen lassen. „Bei meinem letzten Werk hat mir meine Enkelin geholfen und die Knüpffäden in den richtigen Farben gereicht“, erzählt Elisabeth Jütte und deutet auf das Schilfrohr, das sich aus nuancierten Gelb- und Brauntönen zusammensetzt. Ihre Sehkraft habe leider sehr nachgelassen.

„Deshalb ist der Schwanenteppich mein letztes und damit mein Lebenswerk“, sagt Elisabeth Jütte mit einem Augenzwinkern.

Die Zeit der filigranen Handarbeiten ist passé. Eine Lücke, die das Team des Seniorenzentrum St. Engelbert durch verschiedene Angebote schließen will. Neben Bewegungs-, Musik- und Spielangeboten setzen Sonja Freitag und ihre Kolleginnen vom Sozialdienst immer wieder verschiedene Kreativangebote auf das Freizeitprogramm. Gemeinsame Bastel-, Koch- und Backrunden gehören ebenfalls dazu. „Es geht darum, Körper, Geist und Seele in Bewegung zu halten“, sagt Sonja Freitag: „Die Bewohner sollen ihre Fertigkeiten, Talente und Begabungen auch im Alter erfahren können und zugleich die Möglichkeit haben, Neues auszuprobieren und für sich zu entdecken.“ Darüber hinaus begünstigen die Aktivitäten eine haltgebende Alltagsstruktur, die zugleich durch Abwechslung geprägt ist. „Darauf legen wir Wert, denn als vollstationäre Pflegeeinrichtung leben die Bewohner 365 Tage im Jahr im St. Engelbert und deshalb wollen wir, dass sie sich heimisch und angenommen fühlen“, sagt Einrichtungsleiterin Annette Thamm. Die Angebote gelten natürlich auch für die Bewohner in Kurzzeitpflege.

Und ein weiteres Moment für Zufriedenheit und Wohlbefinden auch und vor allem im höheren Alter ist existenziell wichtig. „Die Gemeinschaft“, sagt Elisabeth Jütte. Die kann sie auf Wunsch bei den Mahlzeiten oder den Freizeitangeboten wahrnehmen. Die Gemeinschaft ermöglicht, auch alte Vorlieben weiterzupflegen. „Diese Woche waren wir im Kurpark unterwegs“, erzählt Elisabeth Jütte. Dort gibt es auch ein See mit Schwänen.

 

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