Brilon-Totallokal: „Wo‘s Eisen gibt und Eichen wachsen, da gibt’s auch Kerls, die dazu passen“ – geschichtsträchtiges Bild wechselt als Geschenk der Familie Martini ins Museum Haus Hövener
brilon-totallokal: 71 Jahre nach dem schicksalhaften 29. März 1945 trafen sich am 2. 4. im Museum Haus Hövener Zeitzeugen, Vertreter der Stadt, des Museums und des Heimatbundes Semper Idem zu einem oft bewegenden Rückblick und zur Würdigung der beiden Briloner Franz Kornemann und Johannes Martini. Für die Familien nahmen Till Kornemann und Dr. Joachim Martini (Großneffe von Johannes Martini) mit seiner Frau sowie Marita Lüttke, langjährige Vertraute und Freundin der Familie Martini, teil. Das Bild, das nun seinen Besitzer wechselte, „ist ein Symbol für die beeindruckende Geschichte, die dahinter steht“, sagte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch.
Eichen sind nicht auf dem Gemälde, das der weltbekannte Briloner Künstler Franz Kornemann vermutlich 1943/43 schuf, sondern zwei Eschen und zwischen ihnen der damals noch freie Ausblick von der Helle zur Probsteikirche und den Häusern des Stadtkerns. Kornemann schenkte es nach dem Krieg Johannes Martini. „Wo‘s Eisen gibt und Eichen wachsen, da gibt’s auch Kerls, die dazu passen. (übersetzt vom Original auf sauerländer Platt) Zur dankbaren Erinnerung an den 29.3.1945“ steht auf der Rückseite. Es war, wie Sohn Till Kornemann sagte, „der Dank eines alten Kämpfers an einen, der damals Brilon gerettet hat.“ Die Eschen gibt es nicht mehr. Die letzte „Zeitzeugin“ wurde vor etwa 14 Tagen gefällt.
An diesem 29.3. 1945 hing das Schicksal der Stadt Brilon an einem seidenen Faden. Die amerikanischen Soldaten waren einmarschiert, über Brilon kreisten einsatzbereite Flugzeuge mit dem Befehl, die Stadt bei Gegenwehr in Schutt und Asche zu legen. Stadtoberinspektor Johannes Martini widersetzte sich den Befehlen des Durchhaltens bis zum letzten Mann und zeigte Zivilcourage, berichtete Marita Lüttke. Er hisste die weiße Flagge und übergab das Rathaus kampflos. Bis zum Eintreffen der Militärregierung am Ostermontag hielt er „Wache“ im Rathaus, damit dort nichts zerstört würde. Er wurde von den Amerikanern als Übergangs –Bürgermeister eingesetzt. Ein charmanter, gradliniger Mensch sei er gewesen, der die Jagd und das Skatspielen liebte und sich im Amt durch Handlungs- und Organisationstalent auszeichnete. Viel zu bewältigen gab es damals. 6 – 7000 Fremdarbeiter Flüchtlinge und Flüchtlinge mussten in Brilon versorgt werden. Das bedeutete jeden Tag 12 Zentner Fleisch, 30 Zentner Kartoffeln 500 Brote beschaffen, dazu Wollsachen und Decken, oder es wurden mal eben 100 Paar Schuhe angeordnet oder Mäntel.
Mit im Rathaus waren in jener Osterwoche als Mitarbeiter der Stadt auch Heiner Dohle, Willi Quick, Erwin Schmelter, Heinz Bange und Josef Schreckenberg, die sich jetzt im Foyer des Museums noch gut erinnerten an die gespannte Atmosphäre (das Rathaus war ja voller Menschen, darunter auch bewaffnete Soldaten) und an den kühlen Kopf und die klaren Anweisungen Martinis. Johannes Martini starb am 3.3.1978 im Alter von 90 Jahren. Das Bild blieb im Familienbesitz des Neffen Ferdinand Martini und dessen Frau Marlis. Deren Wunsch war es, das Bild dem Museum Haus Hövener zu schenken. Sie ist in diesem Jahr verstorben.
Franz Kornemann wäre am 24. Februar 120 Jahre alt geworden. Er nahm drei Jahre am 1. Weltkrieg teil, erlebte auch die Hölle von Verdun und kehrte schwer verwundet zurück nach Hause. Er war ein Kämpfer, studierte Kunst, malte und schuf bedeutende Glasfenster für Kirchen. 1942 kam er aus Düsseldorf, wo sein Haus durch Bomben zerstört worden war, nach Brilon zurück. Am 29.3. hatte sich die Familie wegen des Daueralarms im Steinbruch am Drübel versteckt. Es sei das erste Mal gewesen, dass auch der Vater in den Unterstand gegangen sei, erinnerte sich Till Kornemann. Als die amerikanischen Panzer die Straße entlangdonnerten, habe er gerufen: „Kommt raus die kommen schon!“ und die Kinder hätten die Apfelsinen, die von den Panzern fielen, aufgesucht.
Dr. Bartsch dankte für die vielen Eindrücke. Was aus den Erzählungen deutlich werde, sei nur die Spitze eines Eisberges. „Es lässt uns gelassener sein und macht Mut, mit Aufgaben gelassener umzugehen“.
Marita Lüttke überreichte dem Vorsitzendem des Heimatbundes Semper Idem als Nachlassverwalterin nicht nur das Bild sondern auch einen Scheck über 500 Euro. Dessen Verwendung steht schon fest: Der Bildstock an der Jakobuslinde muss dringend restauriert werden. Wer sich daran finanziell beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen, sich beim Heimatbund zu melden.
Bildunterschrift: Winfried Dickel, Marita Lüttke und Dr. Joachim Martini mit dem Bild, dass Franz Kornemann als Dank für die Rettung Brilons Johannes Martini schenkte mit Vertretern der Stadt, des Heimatbundes, des Museums, der Familien sowie den städtischen Mitarbeiter, die am 29.3.45 mit dabei waren.
Bild + Text: Barbara Aulich