Big Brother is watching you

Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

brilon-totallokal: Als George Orwell im Jahr 1948 seinen Roman „1984“ schrieb, prophezeite er uns darin eine schreckliche und trostlose Zukunft: Ein absolut hierarchisch organisierter, diktatorischer Überwachungsstaat kontrollierte jeden Schritt seiner Bürger und eliminierte jeden, der sich auch nur ansatzweise ablehnend zum herrschenden System äußerte. Eine Führungselite von 2% der Bevölkerung lebte dabei recht gut, eine Parteibeamtenkaste von 13% der Bevölkerung konnte sich materiell noch halbwegs über Wasser halten, die breite Masse von 85% der Bevölkerung wurde jedoch nur als verdummte Arbeitssklaven und Kanonenfutter gehalten und mit reichlich Propaganda und billigster Unterhaltung abgespeist. Ein ständiger Krieg mit zwei anderen, ähnlich strukturierten, Diktaturen diente als Rechtfertigung für die Mangelwirtschaft und lenkte gleichzeitig den Hass der Massen weg von den Regierenden auf künstlich aufgebaute Feindbilder. Die Liebe des Volkes wurde durch die Propaganda auf den so genannten „Großen Bruder“ gelenkt, dessen Existenz, genau wie die vom verhassten Staatsfeind Nr. 1, wahrscheinlich nur fiktiv war.

Als wir Älteren dann tatsächlich das Jahr 1984 erlebten, wischten wir uns den Schweiß von der Stirn und meinten: „Puh, das ist jetzt aber noch mal gut gegangen!“ Denn im Jahr 1984 lebten wir, zumindest im Westen, in einer relativ demokratischen und freien Gesellschaft, welche die Visionen von Orwell Lügen strafte. Heute, über dreißig Jahre später, sollten wir uns den Kurs, den diese Gesellschaft nimmt, vielleicht doch mal wieder etwas genauer anschauen: Anhand unserer Smartphones werden Bewegungsprofile erstellt, durch eine permanente Überwachung des Internets, unseres E-Mail-Verkehrs und unserer Telefonate kann man auch unsere Gedanken kontrollieren.

Eine Propaganda, die seit dem 11.September 2001 das Feindbild des „islamistischen Terrors“ als Begründung für die Abschaffung von Freiheitsrechten benutzt und eine politische Klasse, die keine demokratische Kontrolle über ihre Geheimdienste mehr ausüben kann (oder will), sind ernstzunehmende Alarmsignale für eine Veränderung der westlichen Gesellschaft in Richtung der Orwellschen Visionen. Wenn diese schleichende Abschaffung unserer freiheitlichen Grundordnung dann noch bei der Mehrheit der Bevölkerung mit absoluter Gleichgültigkeit aufgenommen wird, entsteht ein Gesamtbild, welches der Fiktion des Romans schon relativ nah kommt.

War George Orwell nun ein absoluter Pessimist, der die düstere Zukunft als unabwendbar ansah? Ich glaube nicht! Orwell sah diesen Roman wahrscheinlich eher als eine Warnung, antidemokratische und freiheitsfeindliche Entwicklungen rechtzeitig zu stoppen. Damit ist er auch heute, nach fast siebzig Jahren, noch hochaktuell. Noch haben wir eine Demokratie und die Freiheit uns gegen diese Entwicklungen zu wehren. Wenn wir das aber jetzt nicht tun, kann es dazu schon bald zu spät sein.

Text:  Norbert Schnellen

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