
Klare Statements im Interview mit Vorstandsvorsitzendem Heinz-Georg Eirund zu 70 Jahren Caritas
Brilon Totallokal: Interview mit Heinz-Georg Eirund – „Alle Generationen in den Blick nehmen“
Frage: Was sind die Planungen der Caritas für das 70. Jubiläumsjahr in 2016?
Heinz-Georg Eirund: Im 70. Jubiläumsjahr, der Caritasverband Brilon wurde am 20. Februar 1946 gegründet, werden insgesamt vier größere Feierlichkeiten veranstaltet. Auftakt war der der Gottesdienst zum Jubiläum genau 20 Jahre nach dem Gründungstag am 20. Februar in der Kirche Gudenhagen. Am Samstag folgt dann der Caritastag in der Innenstadt mit Live-Bühne sowie den Info- & Aktionsständen aller Einrichtungen und Dienste, die in Trägerschaft des Caritasverbandes Brilon liegen. Am 4. November wird der Offizielle Festakt im Hubertussaal der Schützenhalle Brilon gefeiert. Der Ausklang des Jubiläumsjahres ist am 18. Dezember mit einem Konzert in der Kirche Siedlinghausen, also spirituell-feierlich. Parallel zu den großen Veranstaltungen wurde das Jubiläum auch sozusagen intern in den Einrichtungen gefeiert – bspw. bei den Sommerfesten in den Seniorenzentren oder im Kindergarten, zum Patronatsfest der Wohnhäuser für Menschen mit Behinderung oder auf den Patiententagen in den Sozialstationen.
Frage: Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die Caritas für die Bürger in Ihrem Einzugsgebiet, also dem Altkreis Brilon und auch Waldeck?
Heinz-Georg Eirund: Einige Zahlen veranschaulichen die Rolle des Ortscaritasverbandes: 920 haupt- und 1.100 ehrenamtliche Mitarbeitende zählt die Caritas Brilon. Tagtäglich haben sie Kontakt zu 5.000 Menschen, die Rat, Hilfe und / oder Begleitung auf ihren unterschiedlichen Lebenswegen suchen. Die Angebote erreichen alle Generationen – vom gelingenden Start ins Leben bis hin zu einem würdevollen Abschied. Die Caritas hilft Menschen unabhängig von Alter, Konfession, Nationalität oder Lebensleistung. Not sehen und helfen, lautet das bekannte Motto. Neben der Bedeutungen der Caritas Brilon als zweitgrößter Arbeitgeber in Brilon und als Wegbegleiter von Menschen in besonderen Lebenslagen engagiert sich der Verband auch für die nachhaltige Entwicklung der Heimatregion – auch mit Blick auf die Schlagworte demographischer Wandel, Älter werden auf dem Land, Fachkräftemangel. Im Seniorenzentrum St. Engelbert ist beispielsweise das Quartiersprojekt St. Engelbert gestartet, das Bürgern aller Generationen ein Forum für Austausch und gemeinsames Erleben bietet – Ausstellungen, Lesungen, Konzerte oder Kreativworkshops zählen dazu, ebenso wie die Information und Koordination von Hilfen im Alter oder bei Behinderung. Dafür arbeitet die Caritas im Netzwerk. Nicht zuletzt bietet die Caritas auch an, Gemeinschaft zu erleben, sinnvoll Zeit zu verbringen und Interessen zu teilen – Stichwort Ehrenamt.
Frage: Mit welchen Angeboten der Caritas sprechen Sie auch die jüngere Generation an?
Heinz-Georg Eirund: Eigene Erfahrungen zu sammeln, sich einzubringen, etwas zu bewegen, vieles im Miteinander zu erleben, sich auszuprobieren und sich zu engagieren: Im Ehrenamt gibt es viele Möglichkeiten und Projekte –Kreatives oder Sportliches oder wofür auch immer das Herzblut schlägt. An die Jüngeren richtet sich auch die Berufsorientierung in Form von Praktika, dem Freiwilligen Sozialen Jahr oder Bundesfreiwilligendienst. Auch Schüler besuchen die Caritas wie zum „Girls & Boys Day“ oder laden jemanden in den Unterricht ein, um über Soziales, Wohlfahrt oder Engagement zu sprechen. Letztendlich ist die Caritas Brilon auch Ausbilder: Alten- & Heilerziehungspflege sowie Industriekaufleute. Jüngere Mitarbeitende, die mehr Verantwortung und Leitung übernehmen möchten, können an Führungskräfteschulungen teilnehmen.
Frage: Wie will die Caritas in Zukunft die Altenpflege mit Blick auf den demographischen Wandel auffangen?
Heinz-Georg Eirund: Auf jeden Fall nicht alleine, dazu braucht es viele Akteure, weil der demographische Wandel mit seinen Folgen auch letztendlich alle Bereiche der Gesellschaft berührt. Was die Caritas Brilon konkret tut, ist grundsätzlich, sich den Herausforderungen im Hier und Jetzt und in Zukunft bewusst zu sein. Daran knüpft sich das Engagement an. Bspw. auf politischem Parkett, wo sich die Caritas Brilon – gemeinsam mit anderen Trägern und Institutionen – im Rahmen von Pflegekampagnen für bessere Rahmenbedingungen stark macht. Dazu gehören knapp herunter gebrochen: Mehr Zeit für Pflege! Mehr Abbau von Bürokratie! Mehr Anerkennung für Pflege! Und auch mehr Geld für die Pflege, um deren Zukunft zu sichern! Gerade in der Altenpflege muss die Infrastruktur erhalten bzw. ausgebaut werden – das gilt für die ambulante Pflege der Sozialstationen, Alltagsbegleiter, Essen auf Rädern etc. , wie für die stationäre in Seniorenzentren sowie für Angebote der Begegnung, die Vereinsamung und Isolation vorbeugen, wozu die oben genannte Stichwort Quartiersentwicklung bspw. gehört. Salopp gesagt: Wer junge Leute aufs Land locken und / oder halten will, der muss auch fürs Alter Angebote und damit Wahlmöglichkeiten parat haben. Für ein lebendiges Landleben müssen alle Generationen in Blick genommen werden, und das weitsichtig, langfristig, nachhaltig. Auf den Punkt gebracht wird also eine Pflege gefordert, in welcher der Mensch im Mittelpunkt steht. Das würde auch der Reputation des Altenpflege-Berufes sehr gut tun, der zukünftig eine immer größere Rolle spielen wird.
Auch als Dienstgeber blickt die Caritas auf Lebensrealitäten. Der Caritasverband Brilon ist als „Familienfreundlich Unternehmen“ zertifiziert, darüber hinaus haben Mitarbeitende die Möglichkeit über Teilzeitmodelle, Altersteilzeit und Zeitwertkonten lebensphasenorientiert ihre Arbeitszeit zu gestalten. Auch auf Prävention, also auf Gesunderhaltung / Vorbeugung, wird gesetzt, bspw. durch systematisches Gesundheitsmanagement wie das „Qualitrain“-Angebot, durch das die Mitarbeitenden günstiger in qualifizierte Fitnessstudios im Einzugsgebiet der Caritas Brilon trainieren können. Außerdem können Fortbildungen, Coachings, und Supervisionen wahrgenommen werden. Natürlich bilden wir auch Altenpflegerinnen aus. Im Übrigen arbeiten auch Menschen unterschiedlicher Konfessionen bei uns.
Frage: Welche wirtschaftliche Bedeutung hat die Caritas für Brilon?
Heinz-Georg Eirund: Die Caritas Brilon bietet Arbeitsplätze – wie bereits gesagt – sie ist Dienstgeberin von 920 hauptamtlichen Mitarbeitenden, die nach Tarif (AVR) bezahlt werden. Sie arbeiten und leben in der Region, kaufen vor Ort ein, zahlen vor Ort Steuern, was wiederum dem Allgemeinwohl zugutekommt.
Als Mitglied der Unternehmensinitiative „Big Six“ ist der Verband ein verlässlicher Partner der Wirtschaft. Blicken wir bspw. auf die St. Martin Werkstätten: Deren Leistungsspektrum umfasst: Montage- und Kommissionierarbeiten, Komplexe Produktrealisierungen und Logistikleistungen, Maschinelle Holz- und Metallverarbeitung, Industrienäherei, Landschaftspflege, Friedhofsgärtnerei, Pulverbeschichtung, Tampondruck, Schlauchfertigung und Elektromontage. Die sechs Standorte der St. Martin Werkstätten sind in Brilon, Marsberg und seit 2014 auch in Winterberg. In den St. Martin Werkstätten erfahren 680 Menschen Teilhabe am Arbeitsleben.
Und nicht zuletzt: Die Caritas Brilon baut, weil sie das will – mit den Blick auf die bestmögliche Wohn-, Lebens- und Arbeitsqualität für die Menschen, und weil es der Gesetzgeber von ihr verlangt. Zu den Wirtschaftspartnern gehören also auch Bau- und Handwerksunternehmen wie unzählige andere, die wiederum Arbeitgeber sind.
Und jetzt das allerletzte Statement dazu: Als starker Wirtschaftsstandort braucht Brilon / der Altkreis / die Region auch ein tragfähiges, zuverlässiges Netz von Angeboten in Beratung, Begleitung, Hilfe und Pflege, auf das der einzelne Arbeitnehmer für sich oder seine Angehörigen zurückgreifen kann.
Das Interview wurde geführt von Jessie Kristen: Fragen an Heinz-Georg Eirund / Idee: www.brilon-totallokal.de
Foto: Vorstandsvorsitzender Heinz-Georg Eirund (Caritas/Sandra Wamers)