Stichwort der Woche: Ein vergessener Feiertag

Brilon-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

brilon-totallokal: Bis zum Jahr 1990 wurde der 17. Juni in Westdeutschland als „Tag der deutschen Einheit“ begangen. In Erinnerung an den Arbeiteraufstand in der DDR, am 17. Juni 1953, wurde an diesem Tag in Sonntagsreden aller westdeutschen Politiker die deutsche Einheit beschworen, selbst als niemand mehr ernsthaft daran glaubte. Als uns dann im Jahr 1990 tatsächlich die Wiedervereinigung ereilte, hatte der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ ausgedient und wurde vom 3. Oktober als „Tag der Deutschen Einheit“ (man beachte die Schreibweise) abgelöst.

Nach dem 2. Weltkrieg hatte das Bedürfnis der Deutschen nach „Nationaler Größe“ logischerweise drastisch nachgelassen. Während die Siegermächte ihre Nationalfeiertage mit Militärparaden und lautem Humtata feierten, beschränkten wir Deutschen uns in jenen Zeiten auf einen Staatsakt im Bundestag, bei dem selbst die Nationalhymne von einem Streichorchester im Trauermarschmodus intoniert wurde. Als Feiertag wurde der 17. Juni daher nie so richtig populär, als arbeitsfreier Tag im Frühsommer wurde er von der Bevölkerung jedoch gerne angenommen. Seit der Wiedervereinigung hat das Nationalbewusstsein der Deutschen stark zugenommen. Wirtschaftliche und sportliche Erfolge haben uns sehr selbstbewusst gemacht. So hat der 3. Oktober wieder einen stärkeren nationalen Feiertagscharakter als es der 17. Juni je hatte. Militärparaden hat man bisher zwar noch nicht auf dem Programm, aber was nicht ist kann ja noch werden.

Für mich hatte das „nationale Understatement“ der alten Bundesrepublik einen besonderen Charme. Während in der DDR schon recht bald nach dem Krieg wieder Militärparaden und Aufmärsche stattfanden, hatten wir uns hier im Westen eine gesunde Distanz zu unserem Staat aufgebaut. Die Idee, als gleichberechtigter Partner in einem vereinten Europa zu leben, war meines Erachtens besser für uns, als die heutige Marschrichtung, in einem auseinanderbrechenden Europa die Führungsrolle zu übernehmen. Ein übersteigertes Nationalbewusstsein, gepaart mit einer „Führungsmission“, hat in der Vergangenheit weder uns Deutschen, noch unseren europäischen Nachbarn gut getan. Neben dem, wettertechnisch besseren Termin, ein Grund mehr dem 17. Juni als Nationalfeiertag hinterher zu trauern.

Ihr Norbert Schnellen

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