Stichwort der Woche von Norbert Schnellen: „Dummes Zeug, Arbeit hat noch keinem geschadet…?!
brilon-totallokal: Am 5. Juli wird der „Tag der Workaholics“ begangen. Seinen Ursprung hat dieser Gedenktag, wie könnte es auch anders sein, in den USA. Am Tag nach dem amerikanischen Nationalfeiertag wird dort nämlich von vielen noch „blau gemacht“. Wer nicht frei macht ist dann womöglich arbeitssüchtig. Auch in Deutschland soll die Zahl arbeitssüchtiger Menschen ständig ansteigen. „Dummes Zeug, Arbeit hat noch keinem geschadet. Das ist doch keine Droge, von der man süchtig wird“, lautet bisher die landläufige Meinung zu diesem Thema und die ist eigentlich korrekt. Es ist nicht die Arbeit, sondern die Einstellung dazu, die die Sache gefährlich macht. Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft definieren sich durch ihre Arbeit. Das ist keine kapitalistische Erfindung, sondern die Wurzeln dieser Lebenseinstellung reichen etwas weiter zurück. Noch im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit, war der Begriff „Arbeit“ eher negativ besetzt, als die Mühe, der man sich zum Broterwerb unterziehen musste und als Strafe für den Sündenfall im Paradies. Erst die protestantische Arbeitsethik erhob die Arbeit zur Pflicht eines jeden Menschen. Das führte dann, in Kombination mit der Industrialisierung, zu dem Verhältnis zwischen Mensch und Beruf, wie wir es heute noch kennen.
Der Stellenwert der Arbeit zur Definition der eigenen Persönlichkeit hat hingegen ständig zugenommen.
Durch die zunehmende Singularisierung der Gesellschaft dient die Arbeit nicht mehr ausschließlich dem Broterwerb für sich und seine Familie, sondern hat sich für viele Menschen zum Mittelpunkt ihres Lebens entwickelt. Das gesellschaftliche Ansehen, Anerkennung und Befriedigung resultieren dadurch hauptsächlich aus der Arbeit. Die häufigste Frage eines unverbindlichen Smalltalks unter Fremden lautet: „…und was machen Sie beruflich?“ So ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen im Beruf perfekt sein möchten, immer mehr arbeiten und die sozialen Bindungen außerhalb des Arbeitslebens vernachlässigen. Von da an ist es oft nur ein kleiner Schritt zu ernsthaften psychischen Störungen und auch physischen Erkrankungen. Dann werden diese Menschen auch zur „Belastung“ im Arbeitsumfeld und landen da, wo sie nie landen wollten – in der Arbeitslosigkeit und damit im gesellschaftlichen Aus.
Nicht nur im Hinblick auf den sich wandelnden Arbeitsmarkt durch die Industrie 4.0, sondern auch mit Blick auf den sozialen Frieden in der Gesellschaft, müssen wir uns darüber Gedanken machen, ob wir auch in Zukunft der beruflichen Tätigkeit einen so hohen Stellenwert beimessen sollten, wie es jetzt der Fall ist. Eine gerechte Verteilung der dann noch vorhandenen Arbeit setzt voraus, dass ein allgemeiner Wertewandel, weg von der Dominanz der Erwerbsarbeit und hin zur verstärkten gesellschaftlichen Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement, Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Menschen und dem Ausbau sozialer Kompetenz erfolgt. Nur dann entsteht zwischen Arbeit und arbeitsfreier Zeit wieder eine vernünftige „Work-Life-Balance“.
Ihr Norbert Schnellen