Stichwort der Woche… von Norbert Schnellen
brilon-totallokal: Am kommenden Wochenende beginnt mit der Veranstaltung „Brilon blüht auf“ auch offiziell die Frühlingszeit im oberen Hochsauerland. Jetzt blüht uns endlich was. In den Gärten wird eifrig gepflanzt, Blumen, Stauden und Ziergehölze fangen an zu knospen und werden bald in den Städten und Dörfern für eine bunte und duftende Blütenpracht sorgen. Zwischen den Städten und Dörfern sucht man jedoch inzwischen vergebens nach „blühenden Landschaften“.
Wo früher ausgiebige Blumenwiesen den Wanderer erfreuten, erstrecken sich heute ausgedehnte dunkelgrüne Anbauflächen, auf denen schon bald die erste Silage geerntet wird. Dazwischen braune Ackerflächen, die mit riesigen Bearbeitungsmaschinen auf die Aussaat von Mais vorbereitet werden. Der „Duft“, der über dem Ganzen liegt, erinnert uns gewiss nicht an den Frühling, sondern daran, dass auch unsere Region inzwischen von der Massentierhaltung dominiert wird.
Ein Trend, der nicht aufzuhalten ist? Warum sollte unsere Wachstumsgesellschaft ausgerechnet vor der Natur halt machen. Wie jede andere Branche ist auch die Landwirtschaft zum ständigen Wachsen verdammt. Immer weniger Betriebe müssen immer mehr produzieren um am Markt bestehen zu können. Dazu müssen sie sich immer stärker verschulden und geraten so in einen Teufelskreis, aus dem es offensichtlich kein Entrinnen mehr gibt.
„Das Leben ist nun mal kein Ponyhof“ und die Märkte bestimmen den Preis. Die Märkte, das sind natürlich auch wir Verbraucher, die es ganz normal finden, beim Diskounter 60 Cent für einen Liter Milch und 2,99 Euro für ein Kilo Schnitzel zu bezahlen. Dass von solchen Preisen kein Biohof mit 5 Kühen, 10 Schweinen und 50 Hühnern überleben kann, sondern dass solche Preise nur in Ställen mit ein paar hundert Rindern oder ein paar tausend Schweinen zu erwirtschaften sind, müsste eigentlich jedem klar denkenden Menschen bewusst sein. Glücklich weidende Kühe, in Eichenwäldern suhlende Schweine und Hühner, die auf dem Misthaufen kratzen, zieren heute nur noch die Verpackungen der Lebensmittelindustrie und ein paar veraltete Kinderbücher. Die „Biene Maja“ hat sich schon längst in die Wälder, ein paar Bergwiesenreservate und einige verwilderte Hausgärten zurückgezogen.
„Sag mir wo die Blumen sind“, sang Joan Baez in den 60er Jahren. Diese Frage ist heute berechtigter als je zuvor. Da sich inzwischen jedoch der Großteil unserer Bevölkerung durch eine absolute Naturferne auszeichnet, wird diese eigentlich so entscheidende Frage in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Blühende Landschaften werden heute nur noch von Floristen erzeugt, in freier Natur sind sie ein Opfer des industriellen Fortschritts geworden.
Ihr Norbert Schnellen