Wenn Hallenbergs Blüten blüh’n

Brilon-Totallokal: My Fair Lady

brilon-totallokal: Vorspann: Die zweite Premiere in Hallenberg ist geschafft. Die Freilichtbühne hat vergangenen Sonntag die erste Aufführung des Musicals „My Fair Lady“ mit Bravur hinter sich gebracht. Rund 1000 Zuschauer haben mit Eliza Doolittle und Co. gelitten und gelacht und das Ensemble schließlich mit Standing Ovations belohnt.

Ein Hutmacher, Obst- und Gemüsestände, Marktleute mit Bauchläden und reger Kneipenbetrieb – buntes Treiben herrscht auf einem Londonder Markt Anfang des 20. Jahrhunderts. Und mittendrin Eliza Doolittle. Eine junge Frau, die weit davon entfernt ist, eine feine Dame, also eine „Fair Lady“ zu sein. Sie hält sich mit dem Verkauf von Blumen über Wasser und lebt in ärmlichen Verhältnissen. Das sieht man ihr am dreckbeschmutzten Gesicht an, an den struppigen Haaren und der lumpigen Kleidung. Aber vor allem hört man es, denn ihr starker Dialekt – in der deutschen Version freche Berliner Schnauze – kennzeichnet sie als Zugehörige der Unterschicht. Das fällt auch dem Sprachwissenschaftler Professor Henry Higgins auf, der sich zu dem Blumenmädchen mit der kraftvollen, vulgären Sprache – „Rinnsteinjargon“, wie er es nennt – prompt Notizen macht. Sein Ehrgeiz ist geweckt und zusammen mit seinem Kollegen Oberst Pickering schließt Higgins eine Wette ab. Schafft er es, Eliza in einem halben Jahr mit Hilfe von Sprachunterricht zu einer vorzeigbaren Dame zu machen, übernimmt Pickering die Kosten für die Lehrstunden. Auch Eliza lässt sich darauf ein, denn sie erhofft sich von dem Experiment den sozialen Aufstieg und ein besseres Leben.

Ein hartes Stück Arbeit hat der Professor da vor sich. Eliza Doolittle tut sich nicht nur schwer mit der standardgemäßen Aussprache, sondern hat zudem ihren eigenen Kopf, weshalb sie regelmäßig mit ihrem Mentor aneinander gerät. „Et jrient so jrien, wenn Spaniens Blieten blieh’n“, verunstaltet das Blumenmädchen die berühmte Phrase. „Nein. ‚Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh’n!‘“, berichtigt der Professor. „Hab’ ick det nich jesacht?!“, wundert sich Eliza. Professor Higgins schlägt die Hände überm Kopf zusammen und spricht von „kaltblütigem Muttersprachenmord“. Folglich gestaltet sich der Sprachunterricht eher als Schikane für Eliza – Gedichte vorlesen mit Kieselsteinen im Mund, Vokalübungen anstelle des Abendgebets aufsagen und arbeiten bis tief in die Nacht. So entwickelt sich, begleitet von Erfolgen und auch Rückschlägen, von Freudentaumel, Streitereien und Machtspielchen, eine Art Hassliebe zwischen dem Professor und dem Blumenmädchen, die bis zum Ende spannend bleibt.

In 2003 wurde „My Fair Lady“ schon einmal in Hallenberg aufgeführt. Allerdings ist die aktuelle Inszenierung durchaus anders als die vor 15 Jahren. Das liegt auch an Regisseur Florian Hinxlage, der dieses Jahr sein Debut in Hallenberg gibt und frischen Wind auf die Bühne bringt. Vor allem bei der Besetzung der Hauptrollen fällt das ins Auge. Nicht nur im Original sind Higgins, Pickering und Eliza deutlich älter, auch in der damaligen Hallenberger Version war das der Fall – dennoch tut die junge Besetzung einem stimmigen Gesamtbild keinen Abbruch, im Gegenteil. Für Florian Hinxlage lag bei „My Fair Lady“ der Reiz besonders darin, zum einen das zu bedienen, was das Publikum von dem äußerst populären Stück klassischerweise erwartet, zum anderen aber auch neue Ideen einzubringen: „Einmal den Staub abputzen und mit neuen Ideen beträufeln. Das Stück hat einen besonderen Geist, eine Aura, da liegt die Messlatte hoch“, weiß der 32-Jährige. Seine eigene Note habe er dem Klassiker zum Beispiel durch Abstrusitäten und Slapstick-Comedy-Elemente verliehen, aber auch durch Musicaltypische Choreografien. Hinxlage hätte nach der Premiere zufriedener nicht sein können. Sowohl mit der Leistung der Spielschar am Sonntag, als auch mit der gesamten Probenzeit. „Es ist ein Ensemble, das seinesgleichen sucht. Alles funktioniert einfach, egal in welcher Abteilung. Und besonders ziehe ich meinen Hut vor Eliza. Ich bin zutiefst stolz darauf, wie sie sich entwickelt hat“, lobt der Regisseur.

Franziska Mause spielt die Eliza Doolittle. Die 22 Jahre alte Logopädin hat bis 2014 bereits viele Jahre im Familienstück der Freilichtbühne mitgespielt, dann aber ausbildungsbedingt ausgesetzt. Dass sie drei Spielzeiten nicht dabei war und bei ihrem Wiedereinstieg direkt die Hauptrolle bekommen hat, war für sie eine große Herausforderung. „Ich habe auch erst gezweifelt, ob ich mich überhaupt fürs Casting bewerben soll. Gerade als Berufseinsteigerin wusste ich nicht, ob das alles zeitlich klappt. Aber jetzt bin ich so froh, dass ich es gemacht habe. Das gibt einem so viel.“ Nach der Aufführung war Franziska sichtlich erleichtert: „Es ist, als ob man einen Rucksack mit Steinen abwirft. Trotzdem fühlt sich alles noch an wie ein Traum.“ An der Rolle der Eliza hat sie vor allem der Berliner Dialekt gefordert, aber auch die hohen Töne im Gesang. Das merkt das Publikum ihr aber keinesfalls an. Generell liefern alle Darsteller eine beeindruckende Leistung ab, sowohl schauspielerisch als auch gesanglich. Ob es zum Beispiel Franziska Mause ist, die das Gefühl vermittelt, man sitze in einer professionellen Musicalaufführung, oder Thomas Knecht, der den Henry Higgins mit einer derartigen Süffisanz und herablassenden Art spielt, dass man nicht weiß, ob man sich empören oder laut loslachen soll. Auch die weiteren Rollen lassen in ihrer Besetzung nicht zu wünschen übrig. Hervorzuheben sind da beispielsweise Stefan Pippel als humoresquer Oberst Pickering, Helmut Mause als Elizas Vater Alfred P. Doolittle, Philipp Mause als ihr Verehrer Freddie Eynsford-Hill und Georg Glade als exzentrischer Professor Zoltan Karpathy.

Zu keiner Zeit kommt das Gefühl auf, dass irgendetwas aufgesetzt oder heruntergebetet ist.

Fans von „My Fair Lady“, von außerordentlich gutem Gesang und schnellem, frechem Dialog mit Witz werden in Hallenberg nicht enttäuscht – Ohrwürmer und Gänsehaut garantiert.

 

Nächste Termine:

Samstag, 23. Juni um 15:30 Uhr

Freitag, 29. Juni um 18:00 Uhr

Sonntag, 1. Juli um 15:30 Uhr

Donnerstag, 5. Juli um 17:00 Uhr

BU.: In einem guten Musical dürfen auch Tanzeinlagen nicht fehlen, wie hier bei „Bringt mich pünktlich zum Altar“.

Quelle: Ines Alberti

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