Besucherring Brilon e.V.präsentiert: HEILIG ABEND

Brilon-Totallokal: Schauspiel von Daniel Kehlmann (Autor von „Die Vermessung der Welt“). Mit Jacqueline Macaulay und Wanja Mues

brilon-totallokal: Es ist der 24. Dezember, halb elf Uhr abends. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt: Nur genau 90 Minuten hat er Zeit, der Verhörspezialist Thomas, um von einer Frau namens Judith zu erfahren, ob sie tatsächlich, wie er vermutet, um Mitternacht einen – gemeinsam mit ihrem Ex-Mann Peter geplanten – terroristischen Anschlag verüben will. Sie wurde auf dem Weg zu ihren Eltern aus einem Taxi geholt und zur Polizeistation gebracht. Thomas weiß offensichtlich nicht nur theoretisch alles über sie, ihre Arbeit und ihre gescheiterte Ehe, sondern auch praktisch, z. B. dass ihr Ex-Mann am Tag davor von 14.30 Uhr nachmittags bis 22:52 Uhr am Abend bei ihr war. Was haben sie da besprochen?

Im Nebenzimmer wird Peter schon fast zwölf Stunden lang befragt. Ermittler Thomas versucht, wie das bei parallel geführten Vernehmungen üblich ist, den einen über die Aussagen des anderen zu überführen.
Aber wo endet List, und wo beginnt unzulässige Täuschung, wenn unbelegte Vorwürfe wie Fakten behandelt werden? Ist das Ganze doch nur eine Übung für eines von Judiths Seminaren, wie die Philosophie-Professorin behauptet?

Thomas setzt alles daran, Judith aus der Reserve zu locken. Doch da hat er mit ihr, die sich mit dem französischen Psychiater, Politiker und Autor Frantz Fanon und seinen Thesen über die Rechte Unterdrückter auseinandergesetzt hat, kein leichtes Spiel. Im Gegenteil: Sie beginnt, ihr Gegenüber mit gezielten Fragen aus dem Konzept zu bringen.
Die Situation spitzt sich zu. Und die Zeit läuft…

In dieser spannenden Psycho-Studie spielt Kehlmann durch die scharfkantige Figurenzeichnung und die wechselnde Beziehungsdynamik geschickt mit den Erwartungen und Ängsten der Zuschauer. Er stellt wieder Fragen, die zum Weiterdenken zwingen, weil sie nicht einfach und nicht eindeutig zu beantworten sind, die aber eine Antwort verlangen, weil wir nicht sicher sein können, dass sie nur unser Privatleben betreffen und nicht auch – mehr als uns lieb ist – das unserer Kinder.

Daniel Kehlmann zu seinen Motiven, „Heilig Abend“ zu schreiben
Daniel Kehlmann: Seit meiner Kindheit habe ich „High Noon“ geliebt, und zwar nicht so sehr wegen Gary Cooper oder der Revolverduelle, ja nicht einmal wegen Grace Kelly, sondern wegen der Uhr. (…) Man weiß, dass zur Mittagsstunde die Mörder kommen werden (…). „High Noon“ ist einer der wenigen perfekten Filme – nicht zuletzt weil er in Echtzeit stattfindet, weil in ihm die erzählte Zeit und die Zeit, in der der Film selbst vergeht, auf die Sekunde identisch sind. So etwas wollte ich auch machen, immer schon. Das war der eine Antrieb zu „Heilig Abend“: die Idee von einer Uhr an der Wand, deren Zeiger sich auf den entscheidenden Moment zu bewegen, offen und groß, im Blickfeld der Bühnenfiguren wie des Publikums.

Der andere Antrieb war meine Verblüffung über die Dinge, die Edward Snowden aufgedeckt hatte: das Ausmaß der staatlichen Überwachung in der elektronischen Welt, die Willkür der Geheimdienste, die Möglichkeit der Polizei, unsere Leben in einem Ausmaß zu beobachten, wie wir es uns früher nicht hätten vorstellen können.
Also schrieb ich zum ersten Mal etwas im weitesten Sinn Aktuelles, ein Stück, das auf die Ereignisse in den Schlagzeilen reagieren sollte – wenn auch auf eine verschobene, gewissermaßen spiegelverkehrte Art. Aber wichtiger noch: Ich wollte die Reduktion auf die Grundsubstanz des Theaters. Ein Konflikt zwischen zwei Menschen. Eine Gefahr, eine Ermittlung. Und die wie immer zu schnell vergehende Zeit.

 

Presseauszüge zur Uraufführung am 02.02.2017 im Theater in der Josefstadt, Wien

Zu erleben ist ein spannender, interessanter, von Daniel Kehlmann ausgezeichnet und sehr klug geschriebener Theaterabend.
Guido Tartarotti, KURIER, 03.02.2017.

Daniel Kehlmann verhandelt in seinem Text die Überwachungsmechanismen zur Terrorbekämpfung sowohl aus staatlicher wie philosophischer Sicht, die drohende Bombe steht zwar im Zentrum der Befragung, das Thema ist jedoch weniger die konkrete Bedrohung als das Verhandeln von Privatsphäre in Zeiten des gläsernen Menschen.
Sonja Harter, APA, 03.02.2017.

Die große Leistung von Kehlmanns Well-Made-Play „Heilig Abend“ besteht nicht nur darin, dass es das Dilemma ob der Zweck die Mittel heiligt, so spannend ausbreitet, sondern dass es richtige und wichtige Fragen stellt, die möglichen Antworten aber als gleichwertig gegeneinander stellt. Und weil sich der Autor Sympathien und einfachen Worten entschlägt, ist der Zuschauer aufgefordert, sich auseinanderzusetzen.
Etwas Besseres kann Theater kaum leisten.
Patric Blaser, Die Furche, 09.02.2017.

Der fast unmerkliche Abbau demokratischer Freiheitsrechte hat ein bedenkliches Maß erreicht. Die Terrorangst hält unsere Sicherheitsapparate in Atem, und immer mehr Kollateralschäden sind zu beklagen. (…) Man muss dieses kleine Requiem auf unsere liberalen Denk- und Lebensgewohnheiten schon auch als das nehmen als was es ist: ein tadelloses Stück. Man kann sich aber auch von den zahlreichen Feinheiten des (…) Dialogs prächtig amüsieren lassen.
Ronald Pohl, Der Standard, 3.2.2017.

Karten sind im Vorverkauf bei der BWT (Brilon Wirtschaft und Tourismus GmbH), Derkere Straße 10 A, Brilon, Telefon 02961 96990 oder an der Abendkasse erhältlich.

Sonntag, 3. März 2019 · 20.00 Uhr · Bürgerzentrum Kolpinghaus Brilon

Quelle: Besucherring Brilon e.V.

Teilen Sie diesen Bericht mit Ihren Freunden