Was folgt danach? Kommentar von Jens Kleindienst zum Krieg in Gaza.
Die israelische Regierung hat jedes Recht, die Herrschaft der Hamas im Gazastreifen gewaltsam zu beenden. Aus Sicht der israelischen Bürgerinnen und Bürger hat sie die verdammte Pflicht, nach dem katastrophalen Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 das kollektive Sicherheitsgefühl wenigstens ansatzweise wieder herzustellen. Das geht nur mit einem vollständigen Sieg über die islamistischen Terrorbrigaden. Deshalb: Die Zeit für einen Waffenstillstand in Gaza ist noch nicht gekommen, ein solcher würde der Hamas die Möglichkeit geben, das von ihr entfachte Inferno militärisch und politisch zu überleben.
Das heißt aber nicht, dass die israelische Armee in den kommenden Wochen einfach so weitermachen kann. Es stimmt zwar, dass ein Sieg über die Hamas ohne zivile Opfer nicht möglich ist. Doch gebieten es das Völkerrecht, die Menschlichkeit und die politische Vernunft, die Zahl dieser Opfer möglichst gering zu halten. Die nahezu komplette Blockade des Gebietes bei andauernden Bombardierungen treibt die Zahl der zivilen Opfer nach oben – und liefert Argumente für die Erzählung, das Schicksal der Menschen in Gaza sei den Israelis herzlich egal.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sollte auf die Forderungen nach einer humanitären Feuerpause eingehen. Die Parolen der pro-palästinensischen Demonstranten in Europa kann er ignorieren, nicht aber das Grummeln in Washington. Dort besteht die Furcht, Israel könnte durch allzu rücksichtsloses Agieren eine politische Lösung des Konflikts, die irgendwann kommen muss, weiter erschweren. Auch hat Netanjahu anscheinend gar keinen Plan, was nach einem Sieg über die Hamas mit dem Gazastreifen geschehen soll. Einen Neuanfang dort wird es nur geben, wenn es gelingt, wichtige Akteure in der Region wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien ins Boot zu holen. Ohne Entgegenkommen Israels wird das nicht funktionieren.
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Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz, Zentraler Newsdesk
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