Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

Brilon-Totallokal: Urlaub vom eigenen Ich

brilon-totallokal:  Brilon – Vor sechzig bis siebzig Jahren war Urlaub für die meisten Menschen im ländlichen Raum ein Fremdwort. Fast alle Bewohner des Altkreises hatten damals noch eine Landwirtschaft, die im Haupt- oder Nebenerwerb betrieben wurde. Das Vieh musste das ganze Jahr über versorgt werden, das Land musste bestellt werden und in den meisten Familien reichte das Geld gerade mal zum Leben. Mit der zunehmenden Industrialisierung der hiesigen Region änderte sich das. Immer mehr Menschen suchten ihren Broterwerb in den Industriefirmen, in der Verwaltung, im Handel und im Tourismus. Die Zahl der bäuerlichen Familienbetriebe nahm immer weiter ab, so dass heutzutage nur noch ein paar landwirtschaftliche Großbetriebe die kompletten Flächen im Altkreis bewirtschaften.

Durch die Aufgabe der Landwirtschaft und die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden in 5 Tagen, nahm die Freizeit immer mehr zu. Zeitgleich verbesserte sich bis zum Ende des 20.Jahrhunderts bei vielen Familien der Wohlstand. Doppelverdienst, immer weniger Kinder und eine immer bessere berufliche Qualifizierung ermöglichten vielen Menschen einen höheren Lebensstandard, der natürlich auch verstärkt Urlaube ermöglichte. Zuerst ging es an die Nordsee oder in den bayrischen Wald, später dann nach Italien oder Mallorca, heute sind vornehmlich Fernreisen oder Kreuzfahrten angesagt. Für viele Menschen ist der Urlaub inzwischen zu einer jährlichen Flucht aus dem grauen Alltag geworden. Das ist zwar schön und sicherlich jedem gegönnt, aber eine solche Flucht dauert nun mal nur ein paar Tage oder Wochen, danach hat einen der Alltag dann wieder voll im Griff. Ich glaube nicht, dass unsere Vorfahren mit ihrem (urlaubslosen) Leben unzufriedener waren. Sie kannten es nun mal nicht anders und kamen daher vielleicht mit ihrem alltäglichen Leben besser klar.

Denn für den höheren Wohlstand und die vermehrte Freizeit müssen wir in den meisten Fällen nämlich auch einen sehr hohen Preis zahlen und der heißt Stress und Hektik. Während sich das Leben in früheren Zeiten, in zwar arbeitsreichen, aber dennoch ruhigen Bahnen bewegte, wird heute den meisten Menschen die im Berufsleben stehen extrem viel abverlangt. Bis Körper und Geist dann zur Ruhe kommen, ist der halbe Urlaub schon wieder vorbei. Die zweite Urlaubshälfte dient dann dazu, sich seelisch schon wieder auf die Arbeit einzustellen, so dass für die wirkliche Erholung dann ein bis zwei Tage reichen müssen. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber trifft sicher in vielen Fällen zu. Wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen, die Entwicklung der Arbeitswelt ist nun mal dem internationalen Wettbewerb und der Macht der Kapitalmärkte geschuldet. Eine Entschleunigung unseres Arbeitsalltags ist daher in den kommenden Jahren nicht zu erwarten. Egal, wohin Sie in diesem Jahr in Urlaub fahren, oder ob Sie ihren Urlaub in der zauberhaften Ferienregion direkt vor unserer Haustür verbringen, ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen einen schönen, entspannten und erholsamen Urlaub!

Text: Norbert Schnellen

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