Unternehmungen auf Augenhöhe
brilon-totallokal: Zu einem besonderen Rundgang durch die Arbeitswelt der Werkstätten St. Martin hatte jetzt der Caritasverband Brilon e.V. (CVB) Akteure aus Industrie, Gewerbe, Dienstleistung und Wirtschaftsförderung eingeladen. Unter den 70 Gästen dieses Unternehmer-Treffens hatten sich auch die Bürgermeister aus Brilon und Marsberg, Dr. Christof Bartsch und Klaus Hülsenbeck, gemischt.
Empfangen wurde die Runde in dem 2.042 Quadratmeter großen Hallenneubau am Werkstatt-Standort Hinterm Gallberg in Brilon. Dort ruhte der ebenfalls jüngst in Betrieb genommene neue Maschinenpark nicht lange: Nach der Begrüßung stand eine Werksführung bei laufendem Betrieb durch alle Arbeitsbereiche an. In der neuen Halle laufen hochmoderne Maschinen für die Metallbearbeitung in Verbindung mit der Pulverbeschichtung. „Diesen Bereich haben wir ganz neu aufgestellt“, sagte Engelbert Kraft, Fachbereichsleiter Arbeit für Menschen mit Behinderung. Dabei wurde sehr anschaulich, was Heinz-Georg Eirund, Vorstandsvorsitzender (CVB), zuvor in seiner Begrüßung mit Rückblick auf die 40-jährige Caritas-Werkstätten-Geschichte im Altkreis erklärt hatte: „Gaben in den Anfangsjahren ortsansässige Firmen eher Almosen als Aufträge an die Sorgenkinder, wie man damals sagte, so sind heute die Auftragsvergaben aus Industrie, Handwerk, den Städten oder dem Einzelhandel gemeinsame Unternehmungen auf Augenhöhe.“
Die vertraglich vereinbarte Qualität wie Produktivität müssen stimmen. Ebenso wie die Menschlichkeit. „Ein Wohlfahrtsverband ist deshalb heute wie ein Unternehmen zu führen, indem der Mensch aber nicht aus dem Blick gerät – wir verstehen uns als Sozialunternehmen“, betonte Vorstandsvorsitzender Eirund. Die Caritas Brilon und ihre Werkstätten sind ein Sozialunternehmen, das die Herausforderungen zwischen Wohlfahrt und Wirtschaftlichkeit meistern muss. An insgesamt sechs Standorten in Brilon, Marsberg und Winterberg umfasst das Leistungsspektrum der Caritas-Werkstätten heute Montage- und Verpackungsarbeiten, Schlauchfertigung, Tampondruck, Holzverarbeitung, Näharbeiten, Anlagenpflege und Friedhofsbewirtschaftung sowie Speisenversorgung. Zum Kundenkreis der St. Martin Werkstätten gehören aktuell über 150 Unternehmen – vom Mittelständler bis zum Global Player.
Die Zahlen müssen stimmen. Die Zwischenmenschlichkeit auch. Der Hauptauftrag – und zwar ein gesetzlich fixierter – von Werkstätten für Menschen mit Behinderung ist die berufliche Bildung, Rehabilitation und Integration. Auf den Punkt gebracht, steht die Teilhabe am Arbeitsleben im Zentrum. „Wir bieten den Beschäftigten in den Werkstätten eine Struktur, soziale Beziehungen und eine Förderung und Begleitung auf den Weg zum sogenannten Ersten Arbeitsmarkt, wenn alles passt“, sagte Fachbereichsleiter Kraft. „Wir bieten Hilfe und Unterstützung, wenn sie notwendig sind. Wir fördern Selbstständigkeit, soweit sie möglich ist. Aber wir überfordern nicht! Auch das liegt in unserer Verantwortung. Und das ist unsere Definition von Inklusion“, betonte Eirund.
Vier Beschäftigte haben in 2014 einen Arbeitsplatz auf dem sogenannten Ersten Arbeitsmarkt bekommen. Zurzeit sind 680 Menschen mit geistigen, schwerst-mehrfachen und psychischen Behinderungen in den St. Martin Werkstätten der Caritas Brilon sozialversichert beschäftigt. Mindestens 70 Prozent des Arbeitsergebnisses werden als Lohn an die Beschäftigten ausgezahlt. Die verbleibenden 30 Prozent müssen in die Renovierungs- und Substanzrücklage eingestellt werden. Bei einem Sozialunternehmen muss das Geld dem System dienen, nicht dem Maximalprofit oder dem Mehren des Besitzstandes eines Privateigentümers. Warum die Werkstätten in den 40 Jahren seit Gründung das Leistungsspektrum immer weiter ausgebaut haben, erklärte sich beim Rundgang. „Um eine individuelle Förderung zu ermöglichen, müssen wir verschiedenste Arbeitsangebote vorhalten – von manuellen Montage- oder Kommissionierarbeiten bis hin zur technikbasierten Maschinenbedienung“, erklärte Kraft. Beim Rundgang wurde klar, dass die Arbeit in den Werkstätten sehr komplex und hochwertig ausgeführt und ebenso wirtschaftlich verrichtet wird – ohne dass dabei der Mensch aus dem Mittelpunkt gerät.
Info: Auch durch Fehler zum Erfolg
Als Gast-Referent auf dem Caritas-Unternehmer-Treffen verband Jongleur und Ökonom Andy Gebhardt in seiner beeindruckenden Performance zur Fehlerkultur Artistik und Jonglage mit dem Blick des Unternehmers auf die Welt der Wirtschaft. Dabei beleuchtet er die Wichtigkeit des Fehlers zwischen Peinlichkeit und Exzellenz, zwischen Angst und Fortschritt sowie den unschätzbaren Effekt, aus Fehlern zu lernen – weiser, mutiger und besser zu werden. „Denn Leute, die wenig Fehler machen, machen sowieso nicht viel im Leben“, sagte Andy Gebhardt.
Kontakt: Weitere Informationen zu den Caritas-Werkstätten bei Hermann Niglis, Technischer Leiter Caritas-Werkstätten St. Martin, unter Telefon 02961 – 9718222.