„I’m dreaming of a White Christmas“

 

Kulturwissenschaftler Michael Fischer über den Song, der Weihnachten säkularisiert und globalisiert hat

 

brilon-totallokal: Seit nahezu 80 Jahren erklingt „White Christmas“ – zunächst auf Schallplatte, im Kino und im Rundfunk, später dann im Fernsehen oder im Internet. „Die Aufnahme mit Bing Crosby erhielt 1943 nicht nur einen Oscar für den besten Filmsong, sondern soll sich insgesamt 50 Millionen Mal verkauft haben –ein Weltrekord“, sagt Dr. Dr. Michael Fischer vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Albert-Ludwigs-Universität. Mehr als 400 Coverversionen seien bekannt. Der internationale Erfolg dieses Klassikers habe zur Globalisierung und Säkularisierung von Weihnachten beigetragen: „Dabei meint Säkularisierung nicht einfach das Verschwinden von Religion. Vielmehr ging es darum, dass religiöse Erfahrungen pluralisiert und individualisiert wurden.“

 

Kirchlichkeit, Dogmatik und Ethik spielten dabei keine große Rolle mehr, erläutert der Kulturwissenschaftler: „Das religiöse Pathos wurde auf das Fest selbst und die feiernde Familie, auf allgemeine Humanitätsvorstellungen und die Beziehung zwischen Liebenden übertragen.“ Dass im Text gar nicht vom christlichen Weihnachtsfest und seinem Anlass – der Geburt Christi – die Rede ist, sei für die breite Rezeption eher ein Vorteil gewesen. „Der Song bettete Weihnachten in die Konsum- und Unterhaltungskultur der Zeit ein und führte zugleich die Familiarisierung und Emotionalisierung des Festes fort.“

 

Aus diesem Grund sei das 1940 von Irving Berlin geschriebene Lied nicht nur musikhistorisch und ökonomisch von Bedeutung, sondern auch kulturell. „Es hat wesentlich die Vorstellung von einer ‚weißen Weihnacht‘ geprägt, die nostalgische Bilder, Erinnerungen an die Kindheit und die Sehnsucht nach Reinheit und Frieden miteinander verbindet.“ Im Zweiten Weltkrieg sei der Song von den US-amerikanischen Soldatinnen und Soldaten konfessionsübergreifend gehört worden, das im Lied beschworene Träumen habe eine Gegenwelt zum militärischen Kampf und den Entbehrungen des Alltags ermöglicht.

 

Das Nostalgische von „White Christmas“ und die Erwartung eines Zukünftigen stellten zwei Seiten einer Medaille dar: Das Lied besingt eine Utopie. Und am Ende stehe ein Wunsch, der genauso gut religiös wie säkular verstanden werden kann und auch in einer globalisierten Welt breite Zustimmung finden werde: „May your days be merry and bright / And may all your Christmases be white.“

 

Dr. Dr. Michael Fischer ist der Geschäftsführende Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Albert-Ludwigs-Universität. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Geschichte populärer Kultur und Musik seit der Frühen Neuzeit.

 

Weitere Informationen zum Lied:

Michael Fischer (2020): „White Christmas (Bing Crosby)“. In: Michael Fischer, Fernand Hörner, Christofer Jost (Hgg.): Songlexikon. Encyclopedia of Songs, 11/2020.
http://www.songlexikon.de/songs/white-christmas

 

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

 

Teilen Sie diesen Bericht mit Ihren Freunden